Rheinische Tapetenfabrik Tilger& Co.

Voraussetzungen für die industrielle Produktion von Tapeten im heutigen Sinne waren ein Rollendruckverfahren und Maschinen, die in der Lage waren, lange Papierbahnen herzustellen. Durch die Kombination der beiden Techniken war erstmals in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine massenhafte Produktion von Papiertapeten als Rollenware möglich.

Einen Durchbruch erlebte die neue Form der Wandgestaltung zum Ende des 19. Jahrhunderts. Die Repräsentationsräume der bürgerlichen Wohnhäuser, die im Rahmen der großen Stadterweiterungen entstanden, wurden mit Tapeten ausgestattet, während die Neben- und Schlafräume in der Regel noch bis zum ersten Weltkrieg eine gemalte Fassung erhielten.

In Bonn begann im Jahre 1893 der Tapetenhändler August Schleu mit der Herstellung von Tapeten. Die Produktion beschränkte sich zunächst noch auf im Handdruckverfahren hergestellte Ware, wurde aber nach dem Einstieg von Emil Tilger im Jahre 1895 in das Unternehmen auf ein Mehrfarben-Leimdruckverfahren umgestellt. Die Fabrikation, die in den Hallen einer ehemaligen Teppichfabrik an der heutigen Marquardtstraße begann, wurde kontinuierlich ausgebaut. 1897 entstanden entlang der Augustastraße neue Gebäude, in denen Farbwerkhalle, Leimdrucksaal, Lager und Büros untergebracht wurden. In der Nordstraße 2 ließ sich Emil Tilger eine Villa errichten.

1904 erwarb das unter dem Namen „Rheinische Tapetenfabrik Tilger& Co“ firmierende Unternehmen eine Papierfabrik in Hoffnungstal. Nach der Fusion mit der Tapetenfabrik Engelhard in Mannheim im Jahre 1906 gehörte die „Rheinische Tapeten- und Papierfabrik Engelhard& Scheu“ zu den größten Tapetenherstellern in Deutschland.

Die Hoffnung auf die Überwindung krisenbedingter Absatzschwierigkeiten führte 1906 zum Zusammenschluss mit den 16 größten deutschen Tapetenherstellern zu der „Tapeten Industrie AG“ mit Sitz in Berlin.  Die neue Aktiengesellschaft war jedoch nicht in der Lage, die wirtschaftlichen Probleme der Unternehmen zu lösen, sodass sie 1909 wieder liquidiert wurde.

Unter der Leitung von Adolph Hoffmann konsolidierten sich allmählich die wirtschaftlichen Verhältnisse der „Rheinische Tapetenindustrie AG, Beuel“. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Fabrik von den Söhnen Erich Hoffmann und Johannes Schleu weitergeführt. In den 1930er Jahren konnte die Produktion weiter ausgeweitet werden.

Rückwärtige Ansicht der Tapetenfabrik, das mehrstöckige Gebäude links wird heute unter anderem als Sportzentrum genutzt.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Produktion eingestellt. Bei einem Bombenangriff am 18.10.1944 wurden etwa 40 Prozent der Fabrikgebäude zerstört. Ab 1949 wurde die Produktion wieder aufgenommen und das Fabrikensemble auf- und ausgebaut. Aufgrund der starken Nachfrage im Rahmen des allgemeinen Wiederaufbaus erlebte die Tapetenfabrik in den 1950er Jahren einen lebhaften Aufschwung. Durch den Ankauf des Geländes der benachbarten Rheinischen Möbelfabrik wurde die Produktionsfläche nochmals bedeutend erweitert.

Erhebliche Absatzschwierigkeiten aufgrund der wirtschaftliche Rezession Anfang der 1970er Jahre und des nachlassenden Wohnungsbaus veranlassten die Eigentümer der Tapetenfabrik, die zuletzt noch 42 Beschäftigte hatte, Konkurs anzumelden.

Von den ausgedehnten Fabrikgebäuden sind heute noch im Wesentlichen die ehemaligen Druckmaschinenhallen an der Auguststraße und das Pförtnerhaus über der Einfahrt erhalten.

Ehemalige Rheinische Tapetenfabrik, Betriebsgebäude im rückwärtigen Grundstücksbereich; heute Teil des Betriebsgeländes der Chemiefabrik Evonik Bonn-Beuel.

Text und Fotos Nr 1, 3: Franz Josef Talbot, Foto Nr. 2: Markus Krause

Adresse: Auguststraße 2

Literatur:

Bernert, H.:  Aus ungenutzt wird umgenutzt. Neuer Zweck für alte Bonner Bauten. In: meinRHEINLAND. Heft 1/2017, S. 54-59

Industrie- und Handelskammer Bonn (Hg.): Tapetenproduktion in Bonn-Beuel und die Rheinische Tapetenfabrik. In: made in Bonn. gestern und heute. Bonn, S. 13-16

Heimat- und Geschichtsverein Beuel am Rhein (Hg.): Denkmalpfade im Stadtbezirk Beuel – Rheinische Tapetenfabrik.  Bonn 2004

„Rheinische Tapetenfabrik Tilger& Co. in Beuel“. In: KuLaDig. Kultur.Landschaft.Digital. URL: www.kuladig.de/Objektansicht/O-57889-20121203-2