Alaunabbau und Villa Pfeifer am Friesdorfer Annaberg

Braunkohletagebau – das verbinden wir im Rheinland heute vor allem mit dem großen Revier westlich von Köln. Im 19. Jahrhundert wurde aber auch in der Nähe von Bonn rege Braunkohle und Alaun abgebaut, so auch am Hang oberhalb von Friesdorf – bis Anfang der 1840er Jahre. Im ehemaligen Tagebaugebiet ließ 1898 Eugen Pfeifer, ein Gesellschafter der Zuckerfabriken Pfeifer & Langen, das schlossartige Haus Annaberg erbauen.

Schon 1675 suchten dort erstmals Lütticher Bergleute nach Steinkohle. Gefunden haben sie allerdings nur Torf. Um 1750 ließ das naheliegende Kloster Marienforst erstmals die dicht unter der Erdschicht liegende Braunkohle als Brennstoff abbauen. „Klüttenbäcker“ aus Liblar legten hier eine sogenannte „Turffkaule“an. Sie gruben Braunkohle oberirdisch im Kuhlenbau ab und stellten aus dem Torf „Klütten“ (Braunkohlepresslinge) her, die im Kloster verheizt wurden. Diese Torf-Kohle hatte aber nur einen geringen Heizwert und soll auch gewaltig gequalmt und gestunken haben.

1809 gelangte die Grube nach der Säkularisierung in den Besitz bürgerlicher Fabrikanten. Von Interesse waren jetzt nicht nur die Braunkohle, sondern auch die Alaun-Tone in den unteren Schichten der Vorkommen. Alaun war ein begehrter Stoff, denn es wurde im 19. Jahrhundert zum Gerben, Beizen, zum Färben von Tuch, für die Papierherstellung und für medizinische Zwecke eingesetzt. Zudem wurde Ton abgebaut, der direkt auf dem Gelände zu Ziegeln, Tonröhren für Wasserleitungen und Zuckerhutformen gebrannt wurde.

Lage der aktiven Tagebaue am Pützberg um 1835 (nach Schwalb, 1995, S. 26). Zur Orientierung ist der aktuelle Straßenverlauf und oben Haus Annaberg eingezeichnet. (Grundlage OpenStreetMap)

Die Tagebaugruben hießen mit Bezug auf ihre Besitzer „Carlsglück“, „Josephs Zufriedenheit“ oder „Theodorswunsch“. Was heiter klingt, war in Wahrheit ein mühsames, schmutziges und stinkendes Geschäft. Für die Alaungewinnung wurden Halden oder Meiler aus Alaunton und Braunkohle aufgeschichtet, angezündet und langsam abgeschwelt. Die Asche mussten die Arbeiter dann mit Schlammkratzern in Kästen füllen, durch die Wasser geleitet wurde, um das Alaunsalz zu lösen. Die dabei entstehende Lauge wurde in gusseisernen Siedekesseln mit direkter Befeuerung mehrfach und langwierig gekocht, gesiedet und ausgedampft, bis schließlich das reine Alaunsalz übrigblieb. Dabei wurden erhebliche Materialmengen bewegt. Ein Siedeprozess für gut 3.000 Liter Lauge benötigte damals gut vier Tonnen Kohle, dauerte 30 Stunden und bedurfte einer ständigen Befeuerung und Überwachung über Tag und Nacht. Zeitgenossen berichteten von einer starken Rauchentwicklung und scharfem Geruch in der Nachbarschaft der Anlagen.

Terrassenförmige Geländestufen im ehemaligen Tagebaubereich östlich von Haus Annaberg. Das Foto zu Beginn des Beitrags zeigt ähnliche Geländestufen im Tagebaubereich südwestlich von Haus Annaberg.

Die Braunkohle diente in dieser Phase als Brennmaterial sowohl für die Siedepfannen der Alaunproduktion als auch für die Ton-und Ziegelbrennereien auf dem Gelände. 1832 wurden allein etwa 200.000 Braunkohle-Klütten an die Ziegelei verkauft. Klütten gingen aber auch in Haushalte, in denen damit geheizt wurde. Die benachbarten Dottendorfer nannten die Friesdorfer daher auch scherzhaft-abschätzig „Friesdorfer Klütten“

Das ehemalige Unternehmerdomizil von Eugen Pfeifer (heute Haus Annaberg) im Bereich des ehemaligen Alaunabbaugebietes.

Es gab neben den Tagebauen etliche Bauten auf dem Pützberg: eine Alaunhütte, ein Kastenhaus, 12 freistehende Laugenkästen, zwei „Fabriken“ für Zuckerhüte, vier Brennöfen für Tonerzeugnisse sowie Klütten- und Kohleschuppen. 1838 war die Anlage offenbar so bemerkenswert, dass sie als kleine Vignette in einem großen Rhein-Panorama verewigt wurde.

Zunächst wurden noch alle Arbeiten in reiner Handarbeit – ohne Nutzung der Dampfkraft – ausgeführt. Faktisch handelte es sich also um eine große Manufaktur und nicht um eine Fabrik. 1836 wurden auf dem Höhepunkt etwa 200 Personen beschäftigt. Für die Spätphase ab Ende der 1830er Jahre gibt es dann auch Hinweise auf einen Stollenabbau und auf den Einsatz einer Dampfmaschine. Um 1840 waren allerdings die Alaunton-Vorkommen am Pützberg weitgehend ausgebeutet. 1845 kam es zu einer Verlegung des Abbaus nach Schweinheim und der Alaunverarbeitung nach Godesberg.

Von den damaligen Produktionsgebäuden auf dem Pützberg ist nichts mehr erhalten und die Abbrüche der Tagebaue sind kaum noch im Gelände sichtbar – allenfalls ein paar Abbruchkanten und Mulden. Die drei Gruben waren gut fußballfeldgroß und hatten eine Abbautiefe von ca. 10 Metern. Auch das Grundstück des Hauses Annaberg wird auf älteren Karten als ausgetorftes Gelände bezeichnet. Auf diesem Gelände waren die meisten Produktionsanlagen versammelt.

Das Gebiet am Pützberg, seit 1859 auch Annaberg genannt, wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von den Fabrikationsgebäuden bereinigt und erst als „Ackergut“, später als landwirtschaftliche Schule umgebaut und umgenutzt. Diese tat sich allerdings aufgrund der schattigen Lage und der Bodenverhältnisse schwer.

1897 erstand der vermögende Zuckerfabrikant Eugen Pfeifer (1848-1915) das Gelände, ein Sproß der Kölner Zuckerdynastie Pfeifer & Langen. Er war auch Vorsitzender des Vereins der Deutschen Raffinerien sowie Aufsichtsrat bei der Gasmotoren-Fabrik Deutz. Pfeifer baute der Familie eine schlossartige Villa, von der man damals noch einen freien Blick auf Friesdorf, Godesberg und den Rhein hatte. Er empfing in der Villa oberhalb Friesdorf bis zu seinem Tod 1915 auch Vertreter des preußischen Adels und manch rheinischen Industriellen.

Haus Annaberg, um 1910. Von der „Rückseite“ der Villa hatte man frühen freien Blick ins Tal und auf den Rhein. Quelle: Privatbesitz
Die Rheinseite heute.

Die teils exotischen Bäume im Park könnten schon aus der Zeit der landwirtschaftlichen Schule aus der Zeit von 1860 bis 1875 stammen, als dort eine Baumschule bestand. Heute ist das Ensemble im Besitz eines Studentenbundes, der es als Studentenwohnheim und Tagungsstätte nutzt, wodurch es erfreulicherweise nicht – wie manch ein privat genutztes Anwesen – hermetisch abgeschlossen ist.

Text, Grafik und Fotos: Detlef Stender

Adresse: Annabergerstraße 400

Literatur: 

Ammermüller, Martin: Spaziergang durch Friesdorf, Bonn 2019

Berchem, Adolf: Von der Entstehung bis zur Aufgabe der Friesdorfer Alaunhütte (1809-1890). In: Godesberger Heimatblätter 14/ 1977, S. 17-27

Buschmann, Walter: Bonn und Umgebung. In: Walter Buschmann, Norbert Gilson, Barbara Rinn: Braunkohlenbergbau im Rheinland, Worms 2008, S. 255-265

„Haus Annaberg in Friesdorf”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-57875-20121203-2

Schwalb, Karl Josef: Bergbau am Pützberg (Annaberg) in Friesdorf. In: Godesberger Heimatblätter 33/ 1995, S. 21-41,

Schwalb, Karl Josef: Unterwegs am Friesdorfer Annaberg. In: Godesberger Heimatblätter 59/ 2021, S. 7-29

Ernst Weyden: Godesberg, das Siebengebirge, und ihre Umgebungen: Für den Fremden und Heimischen geschildert mit naturhistorischen Andeutungen.  Bonn 1864. Online