Bahnhof Godesberg

Im Godesberg erwartet die Reisenden ein anmutig-eleganter Bahnhof, dessen Architektur Jugendstil und historisierende Elemente verbindet. Die Bahnanbindung nach Norden bestand schon seit 1855. Das jetzige Bahnhofgebäude wurde 1908 als Ersatz eines älteren Bahnhofs neu errichtet, um dem Kommen und Gehen im Ort der Rentner und Ausflügler, Internate und Sanatorien einen angemessen Rahmen zu verleihen.

Jugendstil-Wandgestaltung.

Vor allem die lichte und weite Empfangshalle ist sehenswert – mit dem großflächigen Jugendstil-Wanddekor, der mehrfach gestaffelten Kassettendecke und einer anspruchsvollen dunkelgrünen Kachelung. Fünf hochformatige Fenster, die sachlich-seriell in der markanten Giebelfassade angeordnet sind, geben der Halle nicht nur viel Licht, sondern auch einen Hauch von Moderne.

Im Innenraum gibt es noch einen (von ehemals zwei) Brunnen mit aparten aprikotfarbenen Kacheln – möglicherweise eine Hommage an den Kurort, der früher für sein Wasser berühmt war. Aus dem Wasserspeier mit einem fabelhaften Tiergesicht sprudelt es leider nicht mehr. Aber die gesamte Hallenarchitektur ist gut erhalten und verbreitet bis heute ein wenig Grandezza.

Das Empfangsgebäude wurde 1908 errichtet, als Nachfolgebau eines älteren Bahnhofs von 1855, der etwas nördlich in Richtung der heutigen alten Bahnhofsstraße lag. Die Gemeinde Godesberg schoss für die Realisierung des attraktiven Neubaus stattliche 60.000 Mark zu. Godesberg, im äußersten Süden Preußens mit Ausblick auf den romantischen Rhein gelegen, wollte sich damals weiterhin als Ort des guten und besseren Lebens profilieren: als Kurort und als Sommer- und Altersresidenz für die Upper Class und die Rentiers des Rheinlandes, die am Kurpark, im Villenviertel und am Rhein großzügige Häuser besaßen. Schon in der Restauration des älteren Bahnhofs sollen die Aktionäre der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft, die in ihre Godesberger Sommerfrische bequem auf der Schiene aus dem industrialisierten Norden anreisen konnten, einen Stammtisch gepflegt haben.

Postkartenansicht des neuen Bahnhofs kurz nach der Fertigstellung, um 1910. Quelle: Privatbesitz.
Ansicht des Bahnhof 2022 unmittelbar nach einer Renovierung. Die individuell gestaltete Fassaden-Landschaft ist über die Jahrzehnte gut erhalten geblieben.

Mit dem neuen Villenviertel zwischen Bahnhof und Rhein war um 1900 in wenigen Jahren ein stattlicher Stadtteil für wohlhabende Neubürger gewachsen. Zugleich war Godesberg auch Gesundheits- und Bildungsstandort mit Heilwasser-Brunnen, Sanatorien, repräsentativen Schulbauten, Mädchenpensionaten und Internaten. 1900 wurden allein ca. 2.000 Kurgäste gezählt. Das Kommen und Gehen, das für Godesberg so bedeutend war, fand in dem neuen Bahnhof einen angemessenen Raum.

Der erste Bahnhof Godesbergs von 1855, der Anfang des 20. Jahrhunderts weichen musste. Das Foto entstand 1905, drei Jahre vor dem Abriss. Auf der Seite zum Rhein hin, auf der auch der Fotograf stand, befanden sich früher Gleise für den Güterverkehr. Foto: Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn.

Der Güterbahnhof, der sich zunächst auf der rückwärtigen, das heißt zum Rhein hin gelegenen Seite des Bahnhofs anschloss, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts weit in den Norden verlegt. Die lästigen Bahnschranken auf Höhe der Rheinallee und der Friedrichstraße wurden durch Straßenunterführungen ersetzt. Dafür wurde das Gleis im Bereich des Bahnhofs deutlich angehoben.

Gleichzeitig stellte die Stadt etwas nördlich, in Friesdorf das Gelände für den neuen Güterbahnhof zur Verfügung, damit die Bessergestellten bei der Anreise in Godesberg nicht von lärmenden Fuhrwerken, Staub und Schmutz behelligt wurden. Der Güterbahnhof lag zwischen Weststraße und Hochkreuzallee und östlich der Godesberger Straße, ist aber nicht mehr erhalten. Westlich davon siedelten sich in Friesdorf einige Industriebetriebe an. Das Gaswerk, das Elektrizitätswerk und der Godesberger Schlachthof erhielten jeweils einen eigenen Gleisanschluss.

Wartesaal für die erste und zweite Klasse im neuen Bahnhof von 1908. Postkarte um 1910. Quelle: Privatbesitz.

Zurück ins privilegierte Godesberg: Im Südflügel des Godesberger Empfangsgebäudes lagen früher zwei große Gasträume mit Küche, Theke und einem Schankraum. Das Bahnhofsrestaurant soll bis Mitte des 20. Jahrhunderts ein gehobenes Niveau geboten haben. Im nördlichen Flügel lagen Dienst- und Funktionsräume wie Fahrkartenschalter, Güter- und Expressgutschalter. Auch die nahegelegene Post wurde von hier aus beliefert. In den Obergeschossen wohnten Bahnbeamte. Noch in den 1970er Jahren waren im Bereich Godesberg immerhin 70 Eisenbahner tätig.

Die nordwestliche Seite des Empfangsgebäudes ist besonders liebevoll mit einem schön bedachten Uhrenturm und einem Holzbalkon gestaltet. Denn aus dieser Richtung kamen die Gäste von der Godesburg, dem Kurpark, den Sanatorien und Schulbauten und aus dem Villenviertel. Diese Seite wirkt mit ihren historisierenden Elementen wie ein Gruß an die Villenarchitektur, wie man sie in reicher Vielfalt zwischen Bahnhof und Rhein bis heute erleben kann.

Der Bahnhof war früher nur von der Vorderseite her zugänglich. Der Bahnsteigtunnel nach Süden, in Richtung Villenviertel und Rhein, entstand erst 1990. Im Jahr 2022 wurde eine langwierige Renovierung abgeschlossen, die den Bahnhof äußerlich weitgehend in der Anmutung der Bauzeit präsentiert, aber zugleich von der Rheinseite aus barrierfrei zugänglich macht. Gleichzeitig geschah ein Umgestaltung des Vorplatzes, der nun licht und großzügig wirkt – und vom Autoverkehr befreit ist.

Der Bahnhof erlebte in der Zeit der Bundeshauptstadt Bonn eine zweite Blüte, als sich in Godesberg viele Botschaften ansiedelten, der Stadtteil internationales Flair gewann und zum bedeutsamen Vorort der Bundeshauptstadt wurde. In der Nachkriegszeit bis in die 1980er Jahre war der Bahnhof eine Schnellzugstation mit vielen Ankünften und Abfahrten von Fernverkehrszügen. Heute hat er diesen Status verloren – und ist nun ein Halt für die Regionalzüge zwischen Köln und Koblenz.

Text und Fotos: Detlef Stender

Adresse: Moltkestraße 43, 53173 Bonn

Literatur:

Bernd Birkholz: Der Bahnhof Bad Godesberg – ein unbequemes Denkmal? In: Godesberger Heimatblätter 52 (2014), S. 141157

Bernd Birkholz: 112 Jahre Zeitreise durch die Geschichte des Bahnhofs – neuer Glanz und alte Bilder In: Godesberger Heimatblätter 57 (2019), S. 27-50

Schmoeckel, Reinhard, Kemp, Klaus: 150 Jahre Eisenbahn in Bonn, Bonn 1994

Klaus Kemp, Hans Rachberger: Der Güterbahnhof in Bonn-Bad-Godesberg. In: Godesberger Heimatblätter 49 (2011), S. 83-121