Bahnhof Oberkassel

Zwei Durchgangsgleise, zwei Bahnsteige und ein gut erhaltenes klassizistisches Empfangsgebäude von 1870, das seit langem als Restaurant genutzt wird – das ist alles, was von den einst weitläufigen Bahnanlagen in Oberkassel (seit 1969 offiziell Bonn-Oberkassel) übriggeblieben ist. Für die wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde mit ihren Steinbrüchen und Baustofffabriken war der Anschluss an die rechtsrheinische Eisenbahn von entscheidender Bedeutung.

1870 hatte die rechtsrheinische Eisenbahnstrecke von Neuwied aus Oberkassel erreicht. Von dort aus sorgte eine bis 1919 bestehende Eisenbahnfähre – ein so genanntes „Trajekt“ – für die Verbindung mit der linksrheinischen Bahnlinie. Ein Jahr später ging die bis dahin noch fehlende Strecke von Oberkassel über Beuel nach Troisdorf an der Hauptbahn von Köln nach Siegen in Betrieb. Damit war die rechtsrheinische Magistrale durchgängig befahrbar.

Der Bahnhof Oberkassel wurde im Juli 1870 eröffnet. Wegen der für die Region wichtigen Trajektverbindung – die Bonn-Beueler Rheinbrücke wurde erst 1898 eingeweiht – und einem starken Güteraufkommen zählte er zu den bedeutendsten Stationen zwischen Neuwied und Troisdorf. Entsprechend den vielfältigen Aufgaben im Eisenbahndienst der Dampflokzeit verfügte er neben dem großzügig dimensionierten Empfangsgebäude unter anderem über einen Lokschuppen, eine Werkstatt, eine Wasserversorgung für die Dampflokomotiven, zwei Güterschuppen mit Laderampe, Brückenwaage und Kran sowie über eine Reihe kleinerer Gebäude für die unterschiedlichsten Funktionen.

Der Eingang zur ehemaligen Schalterhalle.

Die Anlagen für die Versorgung und Wartung der Lokomotiven und für die Güterabfertigung lagen auf der Rheinseite der Durchgangsgleise. Über ein umfangreiches Gleissystem, das von zwei Stellwerken aus gesteuert wurde, waren sie an die Strecke angebunden. Für ein hohes Güteraufkommen sorgten neben den Einzelversendern auch die Gleisanschlüsse zu der nahe gelegenen Oberkasseler Zementfabrik und der benachbarten Betonfabrik Hüser.

Die stattliche Anzahl der Beschäftigten verdeutlicht die einstige Bedeutung des Bahnhofs, Foto um 1900. Quelle: Archiv Heimatverein Bonn-Oberkassel.

Der Anschluss an die Bahn hatte über Jahrzehnte entscheidenden Anteil an der wirtschaftlichen Entwicklung Oberkassels. Das galt für Großunternehmen wie die Zementfabrik ebenso wie für kleinere Betriebe, die ihre Produkte auf der Schiene verschickten. Als eine Reihe von Firmen die Produktion in Oberkassel einstellte – so etwa die Betonwerke Hüser 1976, das Zementwerk 1987 –, war auch die Bahn entscheidend betroffen. Hinzu kam die Konkurrenz des LKW, der die Schiene kaum mehr gewachsen war. Die Bahn zog sich unter diesen Umständen – ähnlich wie im Personenverkehr – auch im Gütertransport immer weiter „aus der Fläche“ zurück.

Das Empfangsgebäude von Süden.

Das rheinseitige Gebäudeensemble ist schon lange verschwunden; 1988 war das endgültige Aus für die Güterabfertigung in Oberkassel gekommen. In den folgenden Jahren wurden die Gütergleise vollständig abgebaut: Wo früher reges Leben herrschte, hat heute die Natur neues Terrain erobert.

Text und Fotos: Markus Krause

Adresse: Kalkuhlstraße 29, 53227 Bonn

Literatur:

https://www.heimatverein-oberkassel.de/themen/die-eisenbahnen-in-oberkassel/


Kötting, Helmut: Die rechtsrheinische Eisenbahn in Oberkassel. In: Hg.: Heimatverein Oberkassel e.V.: Bahnbetrieb in Oberkassel. Schienenwege zwischen Rhein und Berg. Bonn 2021 (Schriftenreihe des Heimatvereins Bonn-Oberkassel e.V., Nr. 28), S. 9-180