Bahnhof Rolandseck

Der Bahnhof Rolandseck wurde 1856-1858 in unmittelbarer Nähe zum Rhein erbaut und war in der damals ländlich-kleinteiligen Umgebung ein gigantisch großes Bauwerk. Das Empfangsgebäude hatte für die Eisenbahngesellschaft eine wichtige repräsentative Bedeutung – und wurde entsprechend anspruchsvoll gestaltet. Die neue Bahnlinie brachte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Fahrgäste aus dem Norden erstmals unmittelbar an den romantischen Rhein. Durch die Umwandlung in einen „Künstlerbahnhof“ in den 1960er Jahren und den erfolgreichen Kampf für seine Erhaltung konnte er als eine Ikone der Industriekultur erhalten bleiben. Heute ist der Bahnhof als Empfangsgebäude des Arp-Museums öffentlich zugänglich und bietet einen faszinierenden Ausblick auf die Rheinlandschaft.

Schon beim Bau der Eisenbahnlinie von Köln nach Bonn hatten die Aktionäre der „Bonn-Cölner Eisenbahn“ an einen Weiterbau der Strecke nach Godesberg und dem Örtchen Rolandseck gedacht – direkt gegenüber dem Siebengebirge gelegen. Schließlich bot sich hier ein Blick auf zwei sagenumwobene Orte der Rheinromantik, den Drachenfels und den Rolandsbogen, auf die Inseln Nonnenwerth und Grafenwerth und auf das weite Panorama des Siebengebirges. Ruinen, Himmel und Fluss, Licht und Landschaft verbinden sich hier zu einem beeindruckenden Gesamtkunstwerk von Natur und Kultur. Viele Gemälde und Postkarten aus der Zeit bis 1900 stilisierten denn auch den Eindruck einer exotisch anmutenden Gebirgslandschaft mit oft dramatisch überhöhten Proportionen.

Postkarte um 1900 – mit Blick auf den Rolandsbogen (links oben) und auf der gegenüberliegenden Rheinseite den Drachenfels und das Siebengebirge. Quelle: Privatbesitz.

Es dauerte nach dem Bau der Strecke bis Bonn (1844) noch zwölf Jahre, bis 1856 die Verlängerung bis Rolandseck fertiggestellt war. Die Größe und die gediegene Bauausführung des Empfangsgebäudes von 1858 lassen erkennen, dass Rolandseck aus der Sicht der Aktionäre der Eisenbahngesellschaft, die zum Teil in der Nähe ihre Sommervillen hatten, nicht einfach als bescheidener Durchgangs- oder Zielbahnhof gedacht war. Auch wenn der Bahnhof natürlich den Ausflugstourismus an die „rheinische Riviera“ ganz erheblich befördern sollte, musste das Gebäude offenkundig höheren Ansprüchen genügen.

Bahnhof allein auf grüner Flur – Postkarte um 1900. Deutlich erkennbar ist der rundumlaufende Balkon (Altan) auf gusseisernen Stützen, der früher auch auf der Hangseite eine Aussicht auf die Bahnstrecke erlaubte. Quelle: Privatbesitz.

Im repräsentativen Festsaal fanden vornehme Direktionssitzungen der „Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft“ statt, dort traf man sich auch zu Konferenzen mit anderen Eisenbahnunternehmen. Kaiser Wilhelm II., Reichskanzler Otto von Bismarck und sogar die englische Königin wurden hier empfangen. Und viele kluge und berühmte Köpfe besuchten das Bahnhofsgebäude. Es seien nur Clara und Robert Schuman, Friedrich Nietzsche, Victor Hugo oder die Gebüder Grimm genannt.

Das Gebäude in ganzer Breite. Das Glasdach und der Anbau links für Sanitäranlagen wurden 1907 hinzugefügt, das moderne Funktionsgebäude für die Gastronomie rechts 2011.

Der klassizistische Bau liegt leicht oberhalb des Rheins; dank seiner ausgewogenen Proportionen und seiner Symmetrie strahlt er eine ruhige Erhabenheit aus. Der Oberingenieur der Strecke, Emil Hermann Hartwich, der aus Berlin ins Rheinland gekommen war und vorher im Kanal- und Brückenbau aktiv gewesen war, hat wesentlichen Einfluss auf den Entwurf genommen. Das kann man der Architektur auch anmerken. Rund um das Gebäude verlief ursprünglich eine aufgeständerte Balkonkonstruktion mit gusseisernen Stützen, ein sogenannter Altan, der früher – ohne spätere Anbauten und das 1907 hinzugefügte Glasdach – noch viel klarer den Eindruck des Gebäudes bestimmte.

Terrasse im ersten Stock – aufwändig gestaltete Säulen und weiter Ausblick auf das Siebengebirge.

Auf der Rückseite bildete diese Konstruktion zugleich die Überdachung des Bahnsteigs. Die sehr präsente Eisenkonstruktion war sicherlich eine Hommage an das Material des Eisenbahnzeitalters und den Zweck des Gebäudes. Die Eisenelemente, Stützen und Geländer sind reich verziert und ausgesprochen kunstvoll und aufwändig ausgeführt, fügen sich aber trotz der Fülle der Dekorelemente harmonisch in die schlichte Eleganz des Gebäudes ein. Es wird vermutet, dass die besonders qualitätsvollen Gusseisenelemente aus der Sayner Hütte, einer der bedeutendsten preußischen Eisengießereien der Zeit, stammen könnten.

Glanzstück der seriellen Produktionskunst: der Altan mit Gusseisenelementen.

Der ehemalige Festsaal im zweiten Obergeschoss ist als Restaurant zugänglich und bietet bis heute eine beeindruckende Raumatmosphäre. Der vorgelagerte Balkon inszeniert den großartigen Blick auf den Rhein.

Der ehemalige Festsaal ist heute als Restaurant zugänglich und vermittelt noch die Grandezza des 19. Jahrhunderts. Foto: Anne Stender.

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges beherbergte der Bahnhof die technische Leitung der rheinischen Eisenbahndirektion, danach nutzte kurz der Nordwestdeutsche Rundfunk die Räume. Dann verfiel die Anlage zusehends und sollte Ende der 1950er Jahre abgerissen und durch einen kleineren Bahnhofsbau ersetzt werden. Die Räumlichkeiten erschienen damals als das, was sie eigentlich schon immer waren: für den schlichten Bahnhofszweck überdimensioniert.

1964 pachtete schließlich der Galerist Johannes Wasmuth den Bahnhof und rettete damit das historische Gebäude. Wasmuth nutzte die großzügigen Räumlichkeiten als Galerie, Atelier und Wohnung. Er veranstaltete Feste und kulturelle Veranstaltungen. Schnell zog der außergewöhnliche Ort viele Künstler an. Bereits gegen Ende der 1960er Jahre erkannte das Land Rheinland-Pfalz die Bedeutung des „Künstlerbahnhofs“ als herausragendes architektonisches Zeugnis des Industriezeitalters und erwarb ihn 1972. Damit war der Bahnhof Rolandseck eines der ersten Gebäude in Deutschland überhaupt, deren Wert und Relevanz als Industriedenkmal ernst genommen und gewürdigt wurden. 1977 entstand die Idee, im Bahnhof ein Arp-Museum einzurichten; sie konnte 2004 in die Realität umgesetzt werden. In diesem Zusammenhang wurde der Bahnhof renoviert und die bauliche Gesamtsituation auf den Zustand von 1907 zurückgeführt.

Bahnhof und Museumsneubau für das Arp-Museum, Anblick von der anderen Rheinseite.

Das Arp-Museum erhielt oberhalb am Berghang einen großen Erweiterungsbau, den der amerikanische Architekt Richard Meier entworfen hatte. Der schlichte, weiße Neubau war während der Erbauungszeit zeitweilig als „Verunstaltung“ der Rheinlandschaft umstritten. Ähnlich wie im 19. Jahrhundert der Bahnhof ist das neue Museum im Kontext der provinziell wirkenden Umgebung von der Dimension und Architektur her tatsächlich ungewöhnlich. Es fügt sich aber – wie der Bahnhof auch – harmonisch in die Rheinlandschaft ein und ist eher eine Bereicherung denn ein optischer Störfaktor.

Verbunden werden Bahnhof und Museum durch einen Tunnel unterhalb der Bahngleise und einen Aufzug hinauf zum Neubau. Das Museum ist mit großen Fensterfronten auf den Rhein ausgerichtet und bietet neben den Kunst-Ausstellungen auch einen atemberaubenden Blick auf den Strom – und unseren Bahnhof.

Text und Fotos: Detlef Stender

Adresse: Hans-Arp-Allee 1

Literatur:

Arp Museums Bahnhof Rolandseck, Website

Bahnhof Rolandseck. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. Online

Gallwitz, Klaus (Hg.): Arp Museum Bahnhof Rolandseck. ein Museum und seine Geschichte. Remagen 2008

Loosen, Judith: Der Bahnhof Rolandseck. Das Empfangsgebäude. Bonn 2007