Brotfabrik Germania

Der Übergang von handwerklich geprägten Bäckereien zur industriellen Herstellung von Backwaren erfolgt erstmals um die Wende vom 19. zum 20. Jh. Erst durch die Erfindung des von außen beheizbaren Dampfbackofens, der den bis dahin verwendeten Steinbackofen ablöste, wurde eine kontinuierliche Beschickung der Öfen mit Backwaren möglich, ohne dass der Backraum jedes Mal wieder neu befeuert werden musste. In Verbindung mit der Einführung elektrisch betriebenen Knet- und Rührgeräten wurde so erst eine massenhafte Produktion von Backwaren möglich.

Die Brotfabrik Germania wurde 1903 von August Osberghaus gegründet. Sie gehörte damit zu einer der ersten Brotfabriken im Bonner Raum. Durch die modernen Produktionsmöglichkeiten war die Firma in der Lage die verstärket Nachfrage nach Backwaren durch die ansteigende Zahl von Industriearbeitern in Beuel zu befriedigen. 

Missmanagement und die gesamtwirtschaftliche Situation nach dem 1. Weltkrieg sowie die Weltwirtschaftskrise zwangen Osberghaus 1932 zum Verkauf der Firma an Karl Maria Johannes Troullier, genannt Hans, dessen Familie bereits verschiedene Brotfabriken betrieb.

Hans Troullier konnte im Rahmen des allgemeinen Wirtschaftsaufschwungs in den 1930er Jahren den Betrieb wieder auf- und ausbauen. Seit Beginn des Zweiten Weltkrieges gehörte die Wehrmacht zu seinen Kunden; die Firma lieferte ihre Backwaren bis an die Ostfront. Im Verlauf des Krieges wurde die männliche Belegschaft größtenteils eingezogen und durch polnische Kriegsgefangene ersetzt.

Auslieferungsfahrzeug der Firma in den 1930er Jahren.

Von den Bombenangriffen, die insbesondere ab 1944 weite Teile der Bonner und Beueler Innenstadt zerstörten, blieb die Brotfabrik weitgehend verschont. Zu den Großkunden der unmittelbaren Nachkriegszeit gehörten die britischen Besatzungsstreitkräfte und später der Bundesgrenzschutz in Hangelar.

Messestand der Firma in den 1950er Jahren.

In den 1960er Jahren baute Troullier seine Fabrik aus und kaufte weitere Produktionsstätten hinzu. Er belieferte sowohl kleinere Einzelhändler als auch die zu dieser Zeit aufkommenden Supermarktketten und Kaufhäuser. In den 1970er Jahren produzierte die Fabrik bis zu 1200 Brote stündlich und belieferte mit 34 Fahrzeugen täglich bis zu 400 Kunden.

Trotz der weitgehenden Automatisierung der Produktion und der hohen Auslastung entschied sich Hans Troullier 1984 für die Aufgabe seiner Betriebe in Beuel und an den anderen Standorten.

Die Maschinen der Beueler Fabrik wurden an einen Kölner Konkurrenten verkauft und demontiert. Zunächst wurde die Stadt Bonn Hauptmieter der Räumlichkeiten, die sie untervermietete.

Das erste Obergeschoss der nun leerstehenden Fabrik mietete 1985 der Verein „Traumpalast“ an, eine Vereinigung mehrerer Gruppen aus der freien Bonner Künstlerszene, die einen Spielort für kulturelle Aktivitäten in Bonn suchten. Zunächst sollte die Brot Fabrik allerdings nur eine Übergangslösung sein, da die Stadt Bonn für 1988 die ehemalige Friesdorfer Tapetenfabrik als Alternative in Aussicht gestellt hatte. Eröffnet wurde der Spielbetrieb in der Brotfabrik im Juni 1986 mit einem Theaterprogramm.

Da sich die Friesdorfer Pläne zerschlugen, wurde das Industriedenkmal mit finanzieller Unterstützung von Bund, Land und Stadt ab 1988 in Eigenregie des Vereins saniert. Im Rahmen der mehrjährigen Arbeiten entstand auf einer Fläche von circa 2500 Quadratmetern das heutige Kulturzentrum Brotfabrik. Mittlerweile hat es sich in der Bonner Kulturszene erfolgreich etabliert.

2018 wurden die Gebäude der Brotfabrik verkauft. Die Nutzung als Kulturzentrum konnte jedoch auch unter dem neuen Eigentümer beibehalten werden.

Text und Foto: Franz Josef Talbot

Adresse: Kreuzstraße 16

Literatur:

Bab, Bettina; Harling, Sabine; Stang, Erhard / Bonner Geschichtswerkstatt e.V. (Hg.): Hans Troullier und die Beueler Germania Brotfabrik. In: „Die Beueler Seite ist nun einmal die Sonnenseite…“ Ein historisches Lesebuch. Bonn 1996, S. 131-138

Bernert, Holger: Aus ungenutzt wird umgenutzt. Neuer Zweck für alte Bonner Bauten. In: meinRHEINLAND. Heft 1. 2017, S. 54-59