Der städtische Fuhrpark „Ellerhof“

Im städtischen Umfeld des Bonner Nordens überrascht an der Ellerstraße ein großes, eher ländlich anmutendes Ensemble. Es handelt sich um den sogenannten „Ellerhof“, den städtischen Fuhrpark, der 1902-03 in dem jungen Stadtteil nach Plänen des Bonner Stadtbaumeisters Rudolf Carl Julius Schultze erbaut wurde.

Das Ensemble präsentiert sich in einer Mischung aus Jugendstil und historisierenden Elementen: eine große Hofanlage auf einem großzügigen und aufgelockerten Grundriss, bestehend aus Fachwerkgebäuden mit einer variantenreichen Dachlandschaft und Fassadengestaltung. Der Entwurf soll an niederdeutsche Bauernhöfe angelehnt sein, mit dominantem „Herrenhaus“ und untergeordneten Wirtschaftsflügeln. Diese Idee verwundert im ersten Moment, wird aber nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass damals noch viele Pferde als Zugtiere benötigt wurden und der große rechte Flügel als Pferdestall diente.

Fuhrpark „Ellerhof“, um 1915. Wenn man genau hinschaut, sind ein paar Beschäftigte und Fuhrwerke zu sehen. Foto: Adolph Plesser, Quelle: Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn.
Der Ellerhof heute. Einige Details sind gegenüber der historischen Ansicht verändert.

Insgesamt wirkt die Mischung aus modernen und historischen Elementen bis heute interessant und schlüssig. Das ist auch dem Umbau zu Wohn-und Bürozwecken Mitte der 1990er Jahre zu verdanken, der – trotz manchen Verlusten und Veränderungen – insgesamt den historischen Charakter des „Ellerhofs“ bewahrt hat, einschließlich der beschwingten Außenmauer. Heute ist hier die „Bundesanstalt für Immobilienaufgaben“ ansässig.

Der Flügel für die früheren Pferdeställe.

Der Architekt, Stadtbaumeister Schultze (1854–1935), seit 1896 im Amt, bemühte sich um die Jahrhundertwende sehr um die Verbesserung der städtischen Infrastruktur, so etwa um die Befestigung und Pflasterung der Straßen und Bürgersteige und um den Ausbau und die Durchsetzung des Kanalnetzes. Er kümmerte sich um Bau- und Fluchtlinienpläne für die wachsende Stadt und um die Elektrizitäts- und Wasserversorgung. Es leuchtet unmittelbar ein, dass zur Bewirtschaftung dieser städtischen Infrastruktur auch ein umfangreicher Fuhrpark notwendig war. Die Anlage bot Unterstellmöglichkeiten für Karren, Wasserspreng- und Müllwägen, Ställe für 30 Pferde, Werkstätten, Räume für die Kutscher sowie eine Wohung für den Leiter des Fuhrparkes.

Eingangstür am „Herrenhaus“.

Gleichzeitig entwarf Rudolf Schultze etliche architektonisch anspruchsvolle Bauten: die erste Bonner Rheinbrücke, viele Schulen, eine Klinik, Universitätsinstitute, ein städtisches Schwimmbad, eine Feuerwache, die Stadthalle in der Gronau und den Schlachthof. Leider sind viele dieser Bauten nicht mehr existent. In der Nähe des „Ellerhofes“ ist aber immerhin die von Schultze entworfene ehemalige Nordschule, heute Marie-Kahle-Gesamtschule, erhalten, die – wie der „Ellerhof“ – zeigt, dass er es verstand, den Gebäuden für die städtischen Infrastrukturaufgaben eine ansprechende und individuelle Form zu verleihen.

Text und Fotos: Detlef Stender

Adresse: Ellerstraße 56

Literatur:

Denk, Andreas, Flagge, Ingeborg: Architekturführer Bonn. Berlin 1997, S. 67

Knop, Gisbert: Öffentliche und kirchliche Bautätigkeit, in: Höroldt / van Rey (Hg.): Bonn in der Kaiserzeit, 1871-1914, Bonn 1986, S. 121-174

Niesen, Josef: Rudolf Carl Julius Schultze, Bonner Stadtbaumeister (1854–1935). In: Internetportal Rheinische Geschichte, online