Industriegelände und Werkswohnungen Bonn-West

Etwas abseits der Wohnbebauung etablierte sich nordwestlich der Endenicher Straße und im Umfeld des Güterbahnhofs seit den 1870er Jahren ein kleineres Industriegebiet. Das Gelände an der Grenze zu der bis 1904 selbstständigen Gemeinde Poppelsdorf gehörte in weiten Bereichen der Stadt. Erschlossen wurde es über die Viktoria-, Immenburg- und Karlstraße. Die Entwässerung erfolgte über den sogenannten Kielgraben, einen Abwasserkanal, der über den Dransdorfer- und Rheindorfer Bach mit dem Rhein verbunden war.

Die bauliche Entwicklung des Gebietes begann 1879 mit dem Bau des Städtischen Gaswerkes, gefolgt vom städtischen Schlachthof (1889) und dem Elektrizitätswerk (1899). Als erste größere private Investition wurde um 1887 am Güterbahnhof von der Firma Conzen & Cie. ein Zementwerk errichtet, das um 1893 zu einer Mosaikplattenfabrik umgewandelt wurde. Unter dem Namen „Bonner Keramik AG“ wurde der Betrieb 1921 als Zulieferer für keramische Bauteile Teil der Klöckner-Moeller KG, die gegen Ende des Zweiten Weltkrieges ihre Hauptverwaltung von Köln hierher nach Bonn verlegte.

Stadtplan Bonn 1893, Ausschnitt.

Etwas außerhalb des Gebietes entwickelte sich aus kleinen Anfängen ab 1908 eine von Carl Blank gegründete Pflasterfabrik, die um 1927 einen repräsentativen Neubau an der Ecke Haydnstraße/ Endenicher Straße beziehen konnte. Etwa gleichzeitig entstanden im Rahmen des städtischen Wohnungsbauprogramms auf der gegenüberliegenden Seite der Endenicher Straße zwei große Wohnblocks für die Arbeiter der umliegenden Fabriken.

Stadtplan Bonn 2020, Ausschnitt.

Noch während des Zweiten Weltkrieges wurden die städtischen Versorgungswerke (Elektrizitäts-, Gas- und Wasserwerk sowie die städtischen Straßenbahnen, der Omnibusbetrieb und die Handelswerft) am 21. Juni 1940 mit ihren Nebenbetrieben zu einem einzigen Eigenbetrieb mit der Bezeichnung Stadtwerke Bonn (SWB) zusammengeschlossen. Nach umfangreichen Zerstörungen an den Anlagen im Umfeld der Immenburgstraße konnte die Versorgung der Bevölkerung aus weitgehend erneuerten Gebäuden Anfang der 1950er Jahre wieder aufgenommen werden. Im Rahmen des Wiederaufbaus wurde unter anderem das Elektrizitätswerk zu einem Heizkraftwerk um- und ausgebaut. Einer der ersten Abnehmer der hier produzierten Fernwärme war die 1954 neuerbaute Omnibushalle an der Kreuzung Karlstraße/Endenicher Straße, der damals größten freitragenden Spannbetonhalle Europas (2006 abgerissen).

Die moderne Müllverbrennungsanlage an der Immenburgstraße.

Eine letzte große Ausbauphase des Standortes erfolgte ab 1988 durch den Neubau einer Müllverbrennungsanlage, die 1992 ihren regulären Betrieb aufnahm. 2010 wurde mit dem Bau eines Gas- und Dampfheizkraftwerkes (GuD) begonnen, das unter Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung Strom und Fernwärme produziert.

Etwa zeitgleich wurde der städtische Schlachthof geschlossen, dessen Gebäudebestand trotz verschiedener Pläne zur Reaktivierung des Geländes seither vor sich hin rottet.

Ehemalige Werkswohnungen.

In den ehemaligen städtischen Werkswohnungen aus der Zeit der Jahrhundertwende entlang der Karl- und Immenburgstraße wird heute der Prostitution nachgegangen.

Text: Franz Josef Talbot, Fotos: Detlef Stender

Literatur:

Schultze, R.: Die Baugeschichte der Stadt Bonn 1815-1915.Bonn 1919. Ma­schi­nen­schrift im Stadt­ar­chiv Bonn (Si­gna­tur I e 201)