Industrie im größeren Maßstab spielte in der Kernstadt Königswinter nur am Rande eine Rolle. Die lokal dominierenden Branchen Steinabbau, Backofenbau und Bootsbau waren eher kleinteilig-handwerklich geprägt. Eine Ausnahme waren seit den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg die unweit des Bahnhofs gelegenen Lemmerzwerke, heute Maxion Wheels Werke GmbH. Das weltweit agierende Unternehmen produziert Stahl- und Aluräder für die Fahrzeugindustrie. Es zählt zu den größten Arbeitgebern in der Region.
Auf einem Areal zwischen dem Fuß des Petersberges und der rechtsrheinischen Bahnlinie, die einen direkten Schienenanschluss ermöglichte, gründeten die drei Brüder Johann, Franz und Simon Lemmerz 1919 eine Fabrik zur Herstellung von Felgen und Autorädern. Das neue Unternehmen florierte, auch dank technischer Innovationen wie einer mehrteiligen stählernen Metallfelge, die sich auch für die Fließbandfertigung eignete. Seit dem Ausscheiden der Brüder 1923 führte Johann Lemmerz (1878-1952) die Firma, die unter anderem die Räder für den bekannten Opel „Laubfrosch“ produzierte. In der Folgezeit entwickelte sich das Unternehmen zu einem der größten deutschen Felgen- und Räderhersteller; ab 1929 wurde auch für den Export produziert. 1935 übergab Johann Lemmerz seinem Sohn Paul (1907-1977) die technische Leitung des Betriebs.
Die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg konnten in der Folgezeit rasch behoben werden; die Massenmotorisierung der Wirtschaftswunderzeit sorgte für günstige Rahmenbedingungen. Als Symbol des gelungenen Wiederaufbaus kann das stattliche, 1954/55 errichtete Verwaltungsgebäude des Unternehmens gelten; es wird seit einiger Zeit nicht mehr als solches genutzt. Der von dem Bonner Architekten Christian Bauer entworfene achtgeschossige, klar gegliederte Eisenbetonskelettbau dominiert die aus verschiedenen Bauphasen stammende Fabrikanlage. Sie erstreckt sich über eine Distanz von mehr als einem Kilometer entlang der rechtsrheinischen Bahnlinie. Zu den besten Zeiten arbeiteten hier rund 3000 Beschäftigte, darunter zahlreiche Arbeitsmigranten.
Das im Norden des Areals liegende, in den 1950er Jahren errichtete Warmwalzwerk wurde 2010 als eigenständiges Unternehmen ausgegliedert. Im südlichen Bereich gegenüber dem Bahnhof stehen seit längerem verschiedene nicht mehr dem Unternehmen gehörende Fabrikhallen leer, deren Nutzung bislang nicht geklärt ist.
1997 fusionierte die Familie Lemmerz den Betrieb mit dem US-amerikanischen Radhersteller Hayes Wheels International; 2012 kaufte der brasilianische Konkurrent Iochpe-Maxion das Königswinterer Unternehmen. Damit entstand unter der Bezeichnung Maxion Wheels Werke GmbH einer der leistungsfähigsten Radproduzenten weltweit, mit Fabriken in zahlreichen Ländern, die von der Königswinterer Zentrale aus gesteuert werden. Auch die Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Konzerns ist hier ansässig.
Obwohl die Familie Lemmerz an dem Unternehmen seither nicht mehr beteiligt ist, bleibt ihr Name mit der Stadt Königswinter auf vielfältige Weise verbunden: So spendete etwa der Gründer Johann Lemmerz das Grundstück für die nach ihm benannte Grundschule in der Altstadt, während sein Sohn Paul unter anderem als Stifter des 1953 eröffneten Lemmerz-Freibads unterhalb des Drachenfels in die Stadtgeschichte einging.
Text und Fotos: Markus Krause
Adresse: Ladestraße 1, 53639 Königswinter
Literatur:
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Lemmerz
https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Lemmerz
„Lemmerzwerk in Niederdollendorf“. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-266636
https://ga.de/news/wirtschaft/regional/seit-100-jahren-bauen-die-lemmerzwerke-stahlraeder-fuer-autos_aid-47682783
Zänker, Ursel und Jürgen: Bauen im Bonner Raum 49-69. Versuch einer Bestandsaufnahme. Düsseldorf 1969, S. 147f.