Die Kreuzung Rheinallee / Drachenfelsstraße ist ein Hotspot des Verkehrs: Hier begegnen sich seit Jahrzehnten Fußgänger und Radfahrer, motorisierter Individualverkehr, Reisebusse, Straßenbahnen, Personenschifffahrt und Fährwesen auf dem Rhein, und die berühmte Zahnradbahn auf den Drachenfels ist auch nicht weit. Seit dem Ausbau des Rheinufers zur großzügigen Promenade in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erinnert nichts mehr daran, dass hier zuvor die Arbeits- und Lagerplätze der Steinhauer und Backofenbauer gelegen hatten. Allerdings sind auch die vornehmen Hotelpaläste, die sie verdrängten, heute längst Geschichte.
Die Rheinuferpromenade („Rheinallee“) ist – neben dem Drachenfels – eine der beliebtesten touristischen Attraktionen in Königwinter. Hier kann man den regen Schiffsverkehr beobachten, unter der „historischen“ Lindenallee flanieren oder in einem der Lokale einkehren. Die Besucherscharen nicht nur an schönen Sommertagen zeigen, welch große wirtschaftliche Bedeutung der Fremdenverkehr für die Kommune und die gesamte Region besitzt.
Gänzlich anders sah die Situation am Rheinufer noch bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts aus: Das noch unbefestigte Areal am Fluss wurde rein gewerblich genutzt: Hier befanden sich die Lager-, Werk- und Verladeplätze vor allem der Königswinterer Steinhauer und Backofenbauer – zwei Erwerbszweige, die für die Stadt von großer wirtschaftlicher Bedeutung waren. Die gewerblichen Aktivitäten mussten allerdings gegen Ende des Jahrhunderts Stück für Stück dem Ausbau des Ufers zur Promenade für den aufkommenden Fremdenverkehr weichen; 1895 konnten die Arbeiten abgeschlossen werden.
Damit war das Rheinufer durchgängig frei für eine touristische Nutzung, die auch höheren Ansprüchen genügte. Dies zeigt sich vor allem an der eindrucksvollen Breite der Promenade. Sie brachte die zumeist im späten 19. Jahrhundert entstandenen repräsentativen Hotelbauten mit Sicht auf den Rhein noch besser zur Geltung, die in der Folgezeit zum signifikanten architektonischen Ausdruck des lokalen Tourismus-Booms wurden. Zu ihnen zählte etwa der bereits in den 1760er Jahren als Gästehaus des Klosters Heisterbach erbaute, seit den 1830er Jahren als Hotel genutzte und Ende des 19. Jahrhunderts im neobarocken Stil erweiterte Düsseldorfer Hof, der vor einigen Jahren zu Eigentumswohnungen umgewandelt wurde. Zu den renommierten Adressen an der Rheinpromenade gehörten auch das 1892/ 94 errichtete Hotel Loreley, der Kölner Hof, der Europäische Hof und der im Zweiten Weltkrieg zerstörte Berliner Hof. Die im Stil der Zeit reich ornamentierten Hotelbauten zielten auf ein wohlhabendes, dem Luxus zugeneigten Bürgertum und vermittelten – ganz im Gegensatz zum kleinstädtischen Ortskern – eine geradezu weltläufige Aura.
Voraussetzung für Wachstum und Blüte des Fremdenverkehrs war neben den touristischen Highlights wie dem Siebengebirge und der Drachenfelsbahn die gute Erreichbarkeit der Stadt, für den Tagestourismus ebenso wie für längere Urlaubsaufenthalte in den neu entstandenen Luxushotels und den bescheideneren Gasthöfen abseits des Rheins. Bis zum Bau der links- bzw. rechtsrheinischen Eisenbahnstrecken hatte der Fluss die bequemste Reisemöglichkeit geboten. Bereits 1827 hatte das hölzerne Dampfschiff „Concordia“ den Liniendienst für Güter und Personen zwischen Köln und Mainz aufgenommen.
Ab der Mitte des Jahrhunderts war das aus dem Zusammenschluss zweier zuvor konkurrierender Kölner und Düsseldorfer Gesellschaften entstandene Unternehmen „Köln-Düsseldorfer Rheindampfschiffahrt, Kölnische und Düsseldorfer Gesellschaft“ der Hauptanbieter im überregionalen Tourismusverkehr. Die „Köln-Düsseldorfer“ sorgt neben lokal oder regional agierenden Anbietern bis heute in der Sommersaison für einen steten Zustrom von Gästen. Seit mehreren Jahrzehnten handelt es sich allerdings fast ausschließlich um Tagestouristen – die großen Hotelpaläste am Rhein sind mittlerweile geschlossen und in der Regel in Eigentumswohnungen umgewandelt worden.
Eine noch bedeutendere Rolle für die Entwicklung des Massentourismus in der Drachenfelsstadt spielte die Eisenbahn. Sie erschloss nicht nur das nähere Umland, sondern auch entferntere Regionen wie etwa das Ruhrgebiet – ein zuvor nicht zugänglicher touristischer Markt. Ab 1870 war Königswinter von Süden aus, ein Jahr später auch aus Richtung Köln auf der Schiene erreichbar, für Einzelreisende wie für größere Gruppen. Der am Rand der des historischen Stadtkerns gelegene Königswinterer Bahnhof besaß sogar ein separates Gleis für die entsprechenden Sonderzüge. Eine zusätzliche direkte Schienenverbindung aus Richtung Bonn und Umgebung bot ab 1913 die von Beginn an elektrisch betriebene „Siebengebirgsbahn“ (aktuell Stadtbahn-Linie 66 zwischen Siegburg und Bad Honnef), deren Schienen bis heute auf der Rheinuferpromenade verlaufen.
So entwickelte sich der Bereich an der Einmündung der Drachenfelsstraße in die Rheinallee im Lauf der Jahrzehnte zum veritablen Verkehrsknoten, mit allen Problemen und Interessenkollisionen, die damit verbunden sind: Die Rheinallee fungiert (noch) als ganze normale, stark frequentierte innerstädtische Durchgangsstraße, auf der gesamten Länge der Promenade eng begleitet von der Straßenbahn. Deren zentrale Haltestelle liegt direkt gegenüber dem Fähranleger und nur wenige Meter entfernt vom Ticketkiosk und der Anlegestelle der „Köln-Düsseldorfer“. Und die zahlreichen Fußgänger und Radfahrer fordern auch ihr Recht – eine komplexe städtebauliche und verkehrstechnische Situation, für die es trotz langjährigen Überlegungen noch keine befriedigende Lösung gibt.
Text und Fotos: Markus Krause
Adresse: Rheinallee, Einmündung Drachenfelsstraße, 53639 Königswinter
Literatur:
Hardenberg, Theo, Biesing, Winfried: „In der Welt“ zu Königswinter und rundherum. Ein Stück geschichtlicher Ortskunde. Königswinter 1985, S. 148-154
Klöhs, Karl Josef: Kaiserwetter am Siebengebirge. Bonn 2003
Zur Architektur an der Rheinallee: Schyma, Angelika: Stadt Königswinter. Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Denkmäler im Rheinland 23.5. Köln 1992
Zur „Siebengebirgsbahn“: Nauroth, Karl-Heinz: Unter Draht ins Siebengebirge. In: Hg.: Heimatverein Oberkassel e.V.: Bahnbetrieb in Oberkassel. Schienenwege zwischen Rhein und Berg. Bonn 2021 (Schriftenreihe des Heimatvereins Bonn-Oberkassel e.V., Nr. 28), S. 266-281
Zur „Köln-Düsseldorfer“: Nuding, Stephan: 175 Jahre Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschiffahrtsgesellschaft. Oldenburg 2001