Ringsdorff-Werke Mehlem

Rund um den Bahnhof Mehlem entwickelte sich Ende des 19 Jahrhunderts ein reges Industriegebiet – etwas was in Godesberg nicht gab und dort auch unerwünscht war. Die meisten dieser Betriebe rund um die Drachenburgstraße existieren nicht mehr. Heute arbeiten hier aber noch die Nachfolge-Firmen der Ringsdorffwerke, SGL-Carbon und GNK-Sinter-Metalls. Dieser großflächige Firmenkomplex mit sehenswerter Architektur aus dem 20. Jahrhundert gehört heute zu den größten industriellen Arbeitgebern in Bonn.

In Lannesdorf, südlich von Godesberg, wurde schon seit Jahrhunderten der Abbau von Steinen und Erden betrieben. Im Bereich des Lyngsbergs, westlich am Hang über Lannesdorf, konnten Basalt, Quarzit und Ton gewonnen werden. Da der Transport mit Fuhrwerken sehr beschwerlich war, wurden ab 1874 drei Pferde-Schmalspurbahnen erbaut, die bis in den Bereich des bereits 1856 erbauten Mehlemer Bahnhofs und der dort angesiedelten Verarbeitungsbetriebe führten. Es gab etliche „Kunstbauten“, um diesen Bahnverkehr zu ermöglichen: ein Viadukt über die Grubenstraße, Dämme, Straßenüberbrückungen und eine Unterführung unter der Bahn, um auch an den Rhein zu gelangen. Die Bahnen wurden bis in die 1950er Jahre betrieben. Leider sind keine Zeugnisse dieser Ära erhalten.

Das ehemalige Verwaltungsgebäude der Rheinischen Chamotte und Dinas-Werke.

Im Bereich des Mehlemer Bahnhofs existierten aus diesem Grund schon Ende des 19. Jahrhunderts verschiedene Betriebe, die aus dem örtlichen Ton feuerfeste Steine, Ziegel und Baumaterialien(Schamotte-Waren) herstellten. Alle diese Betriebe gingen später in den Rheinischen Chamotte- und Dinas-Werken auf. Stahlwerke, Gießereien, Zement- und Glasfabriken benötigten zunehmend feuerfeste Baustoffe, die von den Mehlermer Werken geliefert wurden. Die Rheinischen Chamotte- und Dinas-Werke beschäftigten Mitte der 1930er Jahre über 600 Arbeitskräfte. Die großflächigen Werksanlagen befanden sich an der Drachenburgstraße in der Nähe des Bahnhofs. Heute ist nur noch das große Verwaltungsgebäude hinter dem Parkplatz eines Discounters erhalten, und der Straßenname „Am Dinaswerk“ verweist auf die einstige Produktion feuerfester Materialien. Teile des Betriebsgeländes wurden abgeräumt und ein weiteres Areal von den Ringsdorff-Werken aufgekauft.

Briefkopf, um 1930, mit den Werksgebäuden an der Bahnlinie. Links die Neubauten, in der Mitte der Gebäudebestand, den die Ringsdorffwerke übernommen hatten, aus: Heidermann 2014, S. 159.
Die Fabrikgebäude aus der Bauzeit ab 1916.

Die in Essen gegründeten Ringsdorff-Werke waren auf die Produktion von Kohlebürsten spezialisiert, die Strom für elektrische Bahnanlagen übertragen konnten. Später wurde Grafit für die Bürsten eingesetzt. Die Ringsdorff-Werke kamen 1910 nach Mehlem, weil dort in Bahnhofsnähe günstig große Gewerbeflächen zu erwerben waren. Der Betrieb wuchs rasch und ab 1916 wurden südlich der älteren, aufgekauften Fabrikbauten an der Bahnstrecke Fabrikneubauten errichtet.
Im Volksmund hieß – heute politisch nicht mehr ganz korrekt – ein Bereich der Produktion, aus dem die Arbeitenden abends schwarz vor Staub nach Hause kamen, „de Moora“, ein anderer, in dem hauptsächlich Frauen arbeiteten, „de Harem“.

Vom Fußweg aus, der vom Bahnübergang zwischen Fabrik und Bahn nach Süden führt, kann man die beeindruckende Architektur der Neubauten der Ringsdorff-Werke mit ihren sachlichen und expressionistischen Elementen genauer in Augenschein nehmen. In den 1920er Jahren kamen weitere Neubauten an der Galileistraße hinzu, ebenfalls entlang der Bahn gelegen.

Der Firmenleiter Hans Ringsdorff trat frühzeitig schon 1932 in die NSDAP und in die SA ein. Der Betrieb beschäftigte in der Rüstungsproduktion 1938 an die 2.000 Arbeitskräfte. Er wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, aber in der Nachkriegszeit weitergeführt. Nach verschiedenen Besitzerwechseln gingen die Ringsdorff-Werke schließlich in den Besitz der SGL Carbon-Gruppe über, die weltweit zu den wichtigsten Herstellern von Produkten aus Grafit und Kohlenstoff gehört. Es werden weiterhin Stromabnehmer für Lokomotiven hergestellt, aber auch Dichtungsringe, Lager, Carbonfaser-Elemente und Verbundmaterialien für Auto-, Flugzeug- und Stahlindustrie. Inzwischen finden diese Teile auch beim Bau von Windkraftanlagen Verwendung.

Fabrikgebäude aus der Nachkriegszeit im nördlichen Firmenbereich.

Zum Firmenkomplex im nördlichen Bereich gehört auch die Firma GKN-Sinter-Metalls, die aus einer Abteilung der Ringsdorff-Werke hervorgegangen ist. Seit 1934 wurden dort aus Metallpulver unter hohem Druck und Temperaturen um 1.000 Grad Sintermetalle hergestellt, eine Art Metallkeramik, die als hochpräzise Werkstoffe vor allem in der Autoindustrie verwendet werden. Das Unternehmen, das lange dank seiner engen Verbindung mit dem Fahrzeugbau prosperierte, hat in den letzten Jahrzehnten weitere Grundstücke angekauft und Neubauten errichtet. Das außergewöhnlich große Firmengelände umfasst die Flächen zwischen Galileistraße, Mallwitzstraße und Pennefeldsweg. 2013 waren in den beiden Firmen SGL und GKN über 1.000, 2021 nach einer Krise in der Autoindustrie noch rund 900 Menschen beschäftigt. Damit ist der Firmenkomplex aber immer noch einer der größten produzierenden Betriebe in der Bonner Region.

Text und Fotos: Detlef Stender

Adressen: Am Dinaswerk 1 / Drachenburgstraße 1

Literatur:

Behrens, Ingrid: „In sozialer Hinsicht für Belegschaft viel getan“- Die Ringsdorff-Werke in Mehlem, in: Bonner Geschichtswerkstatt: Bad Godesberg – ein historisches Lesebuch, Bonn 2008, S. 109-116

Generalanzeiger Bonn, 7.10.2021: Halbleiterkrise trifft Bonner Autozulieferer GKN Sinter Metals:
https://ga.de/news/wirtschaft/regional/gkn-sinter-metals-in-bonn-kurzarbeit-halbleiterkrise-trifft-autozulieferer_aid-63347223

Heidermann, Horst: Die Entwicklung der Industrie in dem Badeort Godesberg. Bonn 2014, S. 144ff.

Strack, Herbert: Grubenbahnen in Lannesdorf. In Godesberger Heimatblätter, 34 (1996), S. 134-144