Soennecken dürfte als Firma für Schreibwaren und Bürobedarf jedem ein Begriff sein. Vielleicht nicht so bekannt ist die Tatsache, dass auch dieses große deutsche Unternehmen fast ein Jahrhundert lang in Bonn ansässig war. Hier erschuf der Gründer und Namensgeber Friedrich Soennecken, ein einfallsreicher Erfindergeist mit Sinn fürs Geschäft und die Bedürfnisse der Zeit, eine ganze Branche neu.
Friedrich Soennecken, 1848 in Iserlohn im Sauerland geboren, fiel schon als Lehrling durch Einfallsreichtum und Erfindergeist auf. So erfand er – nachdem ihm ein Missgeschick mit einem umgefallenen Tintenfass passiert war – einen ausgehöhlten Holzklotz, der das Tintenfass auf dem Schreibpult stabil hielt. Auch später wurden seine Ideen häufig aus eigener Erfahrung und eigenen Bedürfnissen heraus geboren, wie auch die Reisekopiermaschine, die er aufgrund seiner zahlreichen Dienstreisen fürs mobile Kopieren entwickelte und in Serie brachte.
Soennecken absolvierte eine kaufmännische Lehre bei Aurand & Sudhaus, einer großen Firma für Reitbedarf und Beschlagwerk in Iserlohn. Bereits als Schüler hatte er Interesse und Begabung für Kalligraphie und Graphik gezeigt und entwickelte während seiner Lehrzeit ein eigenes Schriftsystem, basierend auf einer Rundschrift, die er auf einem Wechsel gesehen und für ästhetisch und nützlich befunden hatte, und der bereits in Frankreich üblichen Ronde. Damit legte er die Grundlage für unsere heutige Rundschrift. Seine neue Schrift wollte Soennecken mit eigens dafür entwickelten Rundschreibheften verbreiten.
Da sich für seine Hefte kein Verlag fand, gründete er 1875 kurzerhand einen eigenen, den F. Soennecken Verlag (es finden sich auch die Bezeichnungen „F. Soenneckens Verlag“ und „Soenneckens Verlag“) mit Firmensitz in Remscheid. Bereits nach vier Jahren hatten die Hefte, die in mehreren Sprachen erschienen, die 100. Auflage erreicht. Parallel dazu hatte Soennecken die zur neuen Schrift notwendigen Rundfedern selbst entwickelt, die er in England fabrizieren ließ und in seinen Schreibheften bewarb. Auch Schreibfedern für andere Schriften und spezielle Bedarfe wie bspw. Kinderhände gehörten zum Sortiment.
Strategisch klug verlegte Soennecken bereits ein Jahr nach Gründung den Firmensitz von Remscheid nach Bonn – weg von Metall- und Werkzeugindustrie hin zu Universität und Lehre, wo naturgemäß ein hoher Bedarf an Schreibartikeln besteht. Soennecken selbst studierte nun hier Paläographie, die Lehre der Schrift. Zunächst ließ sich die Firma in der Reuterstraße 25 nieder, kurze Zeit später mussten schon Räume in anderen Hausnummern hinzugemietet werden. 1877 begann in der Luisenstraße die Eigenproduktion der Schreibfedern und damit die Unabhängigkeit vom englischen Import. Der endgültige Standort zwischen Kirschallee und Jagdweg wurde 1884 mit 30 Mitarbeitern bezogen und schon kurze Zeit später ebenfalls vergrößert.
Soenneckens Drang nach Verbesserung des Vorhandenen, sein effizientes Denken und sein Gespür für Marktlücken ließen die Produktpalette stetig wachsen; längst schon umfasste diese neben Schreibwaren auch Bürobedarf aller Art. So hatte er zwischenzeitlich den Umlegekalender entwickelt und das Ringbuch, ein Kernprodukt des Unternehmens. Dabei zog die Einführung eines Artikels eine Serie weiterer zugehöriger Artikel nach sich, so dass der Abnehmer ein erschöpfendes Angebot vorfand und an die Marke gebunden wurde. Ein Beispiel hierfür ist der von Soennecken parallel zur Konkurrenzfirma Leitz entwickelte Aktenordner zur Vereinfachung der Buchführung. Hierzu wurde schon bald der passende Locher angeboten, 1898 stieg das Unternehmen sogar in die Möbelproduktion ein, da für die Ordner das passende Regalsystem auf den Markt kam. Soennecken war aus den Büros nicht mehr wegzudenken. 1905 erfolgte die Eintragung von „Soennecken“ als Markenzeichen mit dem bis heute fast unveränderten Logo, dessen zwei Kreise vermutlich für Soenneckens zentrale Büroerfindungen stehen: Aktenordner, Locher und Ringbuch.
1910, im erfolgreichsten Jahr der gesamten Firmengeschichte, wurde das Unternehmen auf der Weltausstellung in Brüssel mit höchsten Preisen ausgezeichnet und schloss zahlreiche Neuverträge mit Händlern weltweit. Bis 1913 war die Zahl der Mitarbeiter auf rd. 1.000 angewachsen, es gab neben den inländischen Exporthäusern in Berlin und Leipzig Exportstandorte in Antwerpen, Amsterdam und Paris. Das Unternehmen hatte sich innerhalb weniger Jahrzehnte vom kleinen Verlag zum breit aufgestellten Markenunternehmen mit internationalem Vertriebsnetz entwickelt.
Soennecken brachte ausschließlich Artikel unter eigenem Namen heraus, angepasst an die Bedarfe der verschiedenen Zielländer. Friedrich Soenneckens eigener Qualitätsanspruch war dabei so hoch, dass er seinen Kunden sogar ein Umtauschrecht anbot. Hinzu kam ein ausgefeiltes Marketingkonzept mit bildlichen Erklärungen der Produkte anstelle der damals üblichen beschreibenden Werbetexte.
Den Ersten Weltkrieg überstand das Unternehmen, obwohl es währenddessen nicht ins Ausland liefern konnte, gut. Zwar hatten andere Hersteller Soennecken-Produkte kopiert und unter leicht abgewandelten Namen vertrieben, die Qualität erreichten diese jedoch nicht, und nach Kriegsende griffen die Kunden gern wieder auf die Originale zurück.
1919 starb Friedrich Soennecken. Nach seinem Tod führte zunächst sein Sohn Alfred, später sein Enkel Alfred Walter das Unternehmen weiter. Den Zweiten Weltkrieg erlebte die Firma ohne größere Zerstörungen an den Gebäuden und auch wirtschaftlich verhältnismäßig stabil, ebenso die Nachkriegszeit. Die 1960er Jahre allerdings leiteten, bedingt durch den starken Wettbewerb am Markt, den Niedergang ein. 1967 wurden 50 Prozent der Unternehmensanteile vom Konkurrenten Leitz übernommen, 1975 schließlich, 99 Jahre nach der Gründung, meldete Soennecken Konkurs an. Die damals noch 300 Mitarbeiter wurden gegen Abfindung entlassen, das Werk in Poppelsdorf wurde geschlossen.
1983 gingen die Markenrechte an die GDB, die Großeinkaufsvereinigung Deutscher Bürobedarfshändler. Nach verschiedenen Umbenennungen und einem weiteren Zusammenschluss heißt die Genossenschaft heute Soennecken eG. Sie ist mit rd. 500 Mitgliedern die führende genossenschaftliche Vereinigung für Bürowirtschaft im deutschsprachigen Raum und vertreibt weiterhin die Eigenmarke Soennecken.
Die noch erhaltenen Bauten in Poppelsdorf werden heute passenderweise von der Universität genutzt. Am Gebäude Kirschallee 1 ist straßenseitig vom historischen Erscheinungsbild nicht mehr viel ablesbar, rückseitig offenbart sich aber noch die ursprüngliche streng gegliederte Backsteinfassade mit großen Fenstern in den leicht rückspringenden Putzflächen. Über dem Eingangstor zur ehemaligen Werksanlage ist noch das steinerne Firmenlogo zu sehen: der preußische Adler mit einer Schreibfeder.
Die Fabrikantenvilla (Reuterstr. 2b), 1890 errichtet nach Plänen des Architekten Josef Spettmann und 1900 durch einen Anbau erweitert, befand sich bereits seit 1934 im Eigentum der Universität. Die mediterran anmutende Villa ist äußerlich weitgehend unverändert und mit ihrem prachtvollen Erscheinungsbild inmitten eines ehemals üppigen Landschaftsparks sowie der direkten Nähe zum eigenen Betrieb ein repräsentatives Beispiel für das Selbstverständnis eines Großindustriellen aus der Zeit um 1900. 1985 wurden die Villa und der Park in die Denkmalliste der Stadt Bonn aufgenommen.
Nachdem die Universität die Nutzung aufgegeben hatte, stand das Gebäude längere Zeit leer. 2017 wurde bekannt, dass die Villa inzwischen an einen Investor verkauft ist und eine Wohn- und Büronutzung erhalten soll. Die Nebengebäude auf dem Grundstück wie die 1905 errichtete ehemalige Remise wurden zwischenzeitlich abgerissen; an ihrer Stelle werden Neubauten errichtet. Der zur Villa gehörige Landschaftspark mit seinem alten Baumbestand soll erhalten und vom neuen Eigentümer denkmalgerecht gepflegt werden.
Text und Fotos: Barbara Wunsch
Adresse: Kirschallee 1-3 und Jagdweg (rückwärtiger Zugang neben Jagdweg 16) , 53115 Bonn; Fabrikantenvilla: Reuterstr. 2b, 53113 Bonn
Literatur:
https://www.soennecken.de/soennecken/genossenschaft/geschichte/ und https://www.soennecken.de/fileadmin/Genossenschaft/Biografie_Friedrich_Soennecken.pdf (12.02.2022)
„Werksgelände der Firma Soennecken”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-57862-20121202-2 (12. Februar 2022)
Weise, Jürgen, „Soennecken, Friedrich“. In: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 534-535. https://www.deutsche-biographie.de/gnd117452416.html#ndbcontent (12.02.2022)
https://de.wikipedia.org/wiki/Soennecken und https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Soennecken (12.02.2022)
Denkmalliste der Stadt Bonn, Objektnr. A787