Das Siebengebirgsmuseum der Stadt Königswinter versteht sich als klassisches Regionalmuseum. Dementsprechend groß ist die Bandbreite der Themen, die in der Dauerausstellung mit zahlreichen Objekten und Medien präsentiert werden: von der Geologie der Sieben Berge, dem Steinabbau und der Entstehung der Kulturlandschaft über die Geschichte des Siebengebirgsraums bis hin zur Entwicklung des Tourismus, der für Königswinter bis heute eine besondere Rolle spielt. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die regelmäßigen Sonderausstellungen mit Gemälden und Kunstwerken zum Thema „Rheinromantik“.
Wer die Siebengebirgsregion allein mit pittoresker Landschaft und urwüchsiger Natur verbindet, wird ihrer Vielfalt nicht gerecht. Denn ein Gang durch das Siebengebirgsmuseum zeigt, dass sie seit jeher auch von Handwerk und Gewerbe, ja im 20. Jahrhundert mancherorts sogar von Industrie geprägt war. Dabei profitierte Königswinter von seiner Lage am Rhein, denn ihm kam als Verkehrs- und Transportweg für Güter und Waren aller Art eine entscheidende Bedeutung zu. Das galt vor allem vor dem Siegeszug der Eisenbahn und dem Bau leistungsfähiger Straßen ab dem 19. Jahrhundert.
Die hölzernen Großflöße, die am Siebengebirge leise vorbeischwammen, symbolisierten das für den Haus- und Schiffsbau in waldarmen Gegenden unerlässliche Holz als bedeutenden Wirtschaftsfaktor. Die Königswinterer aber lebten nicht vom Holz, sondern vom Stein, der sich im Siebengebirge in unterschiedlichen geologischen Ausprägungen gewinnen und profitabel verkaufen ließ. Schon das 1732 errichtete barocke Museumsgebäude verweist auf diese wirtschaftlichen Zusammenhänge: Für die Fassade verwendete der Bauherr, der wohlhabende Königswinterer Steinhauermeister Johann Peter Mäurer, Latit aus einem der Steinbrüche auf der Wolkenburg.
Der negative Aspekt dieser ehemaligen Erfolgsgeschichte besteht allerdings darin, dass das aktuelle Bild des Siebengebirges vielerorts geprägt ist von den Wunden, die der über Jahrhunderte betriebene Steinabbau hinterlassen hat. Schon die Römer haben am Drachenfels Trachytgestein für den Bau ihrer linksrheinischen Legionslager und Ansiedlungen gebrochen – das detailreiche Diorama eines römischen Steinbruchs ist ein Highlight der Ausstellung.
Im Mittelalter und vor allem im 19. Jahrhundertboten die Steinbrüche den Einheimischen willkommene, wenn auch häufig gefährliche Arbeitsplätze. Zu Recht nehmen daher der historische Steinabbau und die Steinbearbeitung in der Dauerausstellung breiten Raum ein. Erläutert werden, ausgehend von den geologischen Voraussetzungen für die Entstehung des Siebengebirges, neben den Abbautechniken auch die ganz unterschiedlichen Gesteinsarten – wie Basalt, Latit, Trachyt oder Tuff – mit ihren jeweils individuellen Qualitäten.
Neben der traditionellen Steingewinnung in übertägigen Steinbrüchen spielte in Königswinter das Gewerbe des Backofenbaus eine bedeutende wirtschaftliche Rolle. Um 1900 existierten circa 20-30Ofenbaubetriebe, die ihre Produkte überregional vertrieben. Der gute Ruf des „Königswinterer Steinbackofens“ ging weit über das Rheinland hinaus. Grundlage des florierenden Gewerbes war das in Deutschland nur an wenigen Orten vorkommende vulkanische Tuffgestein im Siebengebirge. Es wurde in den so genannten „Ofenkaulen“ in unterirdischen Brüchen abgebaut. Der feuerfeste Stein war besonders gut geeignet für die Konstruktion von großen, meistgewerblich genutzten Backöfen, da er Hitze gut speichern und später langsam und gleichmäßig an die im Innenraum des Ofens gestapelten Backwaren wieder abgeben konnte. Abnehmer der Öfen waren vor allem Bäckereien und Dorfgemeinschaften. Ein fachkundiges Team des jeweiligen Königswinterer Betriebs übernahm den aufwändigen Aufbau vor Ort. Inzwischen ist das Gewerbe der klassischen Backofenbauer seit etwa 100Jahren ausgestorben.
Trotzdem lässt sich das Backen im Natursteinofen noch heute „live“ erleben: Das Museum besitzt einen originalen „Königswinterer Ofen“, der wie in alten Zeiten regelmäßig mit Holz beheizt wird. Das mit einer gleichmäßigen Temperatur von 300 Grad gebackene Steinofenbrot findet stets begeisterte Abnehmer.
Von Herbst 1944 bis März 1945 fanden die Ofenkaulen eine quasi-militärische Nutzung, als die kriegswichtige Produktion der Firma „Aero-Stahl Fluggerätebau GmbH“ von Köln-Porz nach Königswinter verlegt wurde. In dem vor Luftangriffen geschützten unterirdischen Höhlensystem waren unter menschenunwürdigen Bedingungen Hunderte von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen beschäftigt, für die eigens ein provisorisches, streng bewachtes Lager errichtet wurde. In den letzten Kriegstagen dienten die Ofenkaulen der Königswinterer Bevölkerung als Zufluchtsort vor Bombenangriffen und Artilleriebeschuss.
Die Ofenkaulen sind als wertvolles Bodendenkmal und aus Gründen des Naturschutzes nicht mehr öffentlich zugänglich.
Text und Fotos: Markus Krause
Adresse: Kellerstraße 16, 53639 Königswinter
Literatur:
https://archiv.nrw-stiftung.de/projekte/projekt.php?pid=61
„Siebengebirgsmuseum der Stadt Königswinter“. In: KuLaDig. Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-FJK-20100630-0043
Scheuren, Elmar: Landschaft museal: Das neu eröffnete Siebengebirgsmuseum. In: rheinform. Informationen für die rheinischen Museen. Hg.: Landschaftsverband Rheinland, Heft 1/ 2012, S. 25-29
Zu Geologie und Steinabbau: Berres, Frieder: Gesteine des Siebengebirges. Entstehung – Gewinnung – Verwendung. Siegburg 1996
Zum Backofenbau: Lamberty, Christiane: Königswinterer Backofenbau. In: Zeugen der Landschaftsgeschichte im Siebengebirge. Teil 2: Der Ofenkaulberg. Hg.: Landschaftsverband Rheinland. Petersberg 2020, S. 221-255
Scheuren, Elmar: Natursteinöfen. Backofenbau und „Ofenkaulen“ im Siebengebirge. In: Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises. Siegburg 2000, S. 136-139