Steinbruch „Am Stingenberg“

Die weitgehend auf Bonner Stadtgebiet liegenden Höhen des Ennert bilden die nördliche Fortsetzung des Siebengebirges. Wichtiger Teilbereich dieses weithin sichtbaren Basaltzuges ist die Erhebung „Rabenlay“ in Bonn-Oberkassel. Hier lag zeitweilig eines der Zentren des Basaltabbaus in der Region. Zu den ergiebigsten Steinbrüchen gehörte der erst Anfang der 1950er Jahre stillgelegte Basaltbruch „Am Stingenberg“. Überregional bedeutsam ist er aufgrund des 1914 entdeckten Doppelgrabes aus der jüngeren Altsteinzeit mit den sterblichen Überresten des sogenannten „Oberkasseler Menschen“.

Der Basaltabbau am Ennert ist, zunächst in bescheidenem Maße, in Oberkassel seit dem 18. Jahrhundert nachgewiesen. Die Blütezeit der Branche setzte mit der Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts ein: Der extrem harte und gegen äußere Einflüsse widerstandsfähige Basalt erwies sich als besonders geeignet für den Einsatz im Straßen- und Eisenbahn-, aber auch im Wasserbau – so etwa für die Uferbefestigung von Flüssen, Kanälen und Häfen. Einer der größten Abnehmer für Basaltprodukte aus dem Rheinland wurde das wasserreiche Holland mit seinen zahlreichen Flüssen und Kanälen. Die lokal bedeutendsten Steinbruch-Unternehmen waren im Besitz der Oberkasseler Familien Adrian und Uhrmacher. Sie beschäftigten zu den Hochzeiten des Steinabbaus Hunderte von Arbeitern.

Die Oberkasseler Steinbrüche; rechts der Steinbruch „Am Stingenberg“. Foto: Wolkenkratzer, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons.

Trotz der guten Nachfrage waren einige kleinere, weniger ergiebige Oberkasseler Steinbrüche offenbar kaum wirtschaftlich zu betreiben. Bereits in den Jahren um 1900 wurden viele von ihnen wieder geschlossen. Drei der verbleibenden Brüche stellten den Betrieb Ende der 1920er Jahre und im Zweiten Weltkrieg ein.

An verschiedenen Stellen der Felswand sind die einzelnen Basaltsäulen deutlich zu erkennen.

Letzter Vertreter des Oberkasseler Basaltabbaus war der vergleichsweise große Steinbruch „Am Stingenberg“ unterhalb der „Rabenlay“. Er war schon Ende der 1830er Jahre in Betrieb gegangen; wenig später waren am Stingenberg bereits an die 50 Arbeiter beschäftigt. Nachdem Pferdefuhrwerke das Gestein zu den Verladestellen am Rhein bzw. am Oberkasseler Bahnhof transportiert hatten, wurde es wie bei der Oberkasseler Konkurrenz und den Brüchen im Siebengebirge per Schiff oder mit der Eisenbahn (seit Anfang der 1870er Jahre) verschickt.

Die beiden Weltkriege führten zu einer vorübergehenden Einstellung des Betriebes. 1952 musste der Basaltabbau am Stingenberg endgültig aufgegeben werden: Die regelmäßigen Sprengungen hatten umliegende Häuser so schwer erschüttert, dass die Behörden weitere Aktivitäten dieser Art grundsätzlich untersagten.

Internationales Renommee erlangte der Oberkasseler Steinbruch, als im Februar 1914 Steinbrucharbeiter vor Ort ein gut erhaltenes Doppelgrab aus der Zeit um 14 000 v. Chr. entdeckten. Es enthielt die Skelette eines Mannes und einer Frau, die Kieferknochen eines der ältesten bekannten Haushunde der Welt sowie als Grabbeigaben verschiedene altsteinzeitliche Kunstwerke aus Geweih und Knochen. Die wertvollen archäologischen Funde werden heute im LVR-Landes Museum in Bonn der Öffentlichkeit präsentiert; die unscheinbare Fundstelle ist über den Abstecher eines Wanderweges erreichbar.

Blick vom „Skywalk“ in die Rheinebene.

Weitergehende Informationen unter anderem zur Geologie der Region, zur Geschichte des Basaltabbaus und zur Oberkasseler Doppelbestattung bieten seit 2017 die Texttafeln am so genannten „Skywalk“, einer mehrere Meter über die Abbruchkante des Steinbruchs in den Luftraum hinausragenden Aussichtsplattform. Sie ist über den ausgeschilderten Rheinhöhenweg leicht erreichbar. Auch der weite Blick ins Rheintal lohnt den Besuch, Schwindelfreiheit vorausgesetzt.

Text und Fotos: Markus Krause

Von Ortsmitte Oberkassel Anfahrt über Straße „Am Stingenberg“ bis zum öffentlichen Parkplatz am Sportplatz, zu Fuß über die B 42, links in den „Franz-Kissel-Weg“, rechts in den „Felsenweg“ zum Steinbruch.

Literatur:

Zur rechtsrheinischen / Oberkasseler Basaltindustrie: http://www.familie-uhrmacher.de/start.htm

„Steinbrüche im Basalt-Höhenzug ´Rabenlay` bei Oberkassel in Beuel. In: Ku.La.Dig. Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-83493-20140113-4

https://de.wikipedia.org/wiki/Doppelgrab_von_Oberkassel

Berres, Frieder: Gesteine des Siebengebirges. Entstehung – Gewinnung – Verwendung. Siegburg 1996

Ludwig, Jan: Basaltabbau im Siebengebirge. Konflikt zwischen Basaltgewinnung und Naturschutz ((1871-1914). Königswinter 2006 (Königswinter in Geschichte und Gegenwart, Heft 9)

Hansmann, Aenne u.a.: Geschichte der Oberkasseler Straßen. Bonn 1980 (Schriftenreihe des Heimatvereins Oberkassel. Heft 3), S. 35-37

Talbot, Franz-Josef; Loosen, Judith: Denkmalpfade im Stadtbezirk Beuel. Hg.: Heimat- und Geschichtsverein Beuel am Rhein. Bonn 2004, S. 67-78