Der zweite Amtssitz des Bundespräsidenten geht im Kern auf ein kurz nach 1860 von dem Kaufmann Albrecht Troost errichtetes Gebäude zurück. Troost stammte aus einer Textilindustriellenfamilie aus Mülheim an der Ruhr. Später kaufte das Anwesen zunächst der Zuckerbaron Leopold König, dann der Textilfabrikant Rudolf Hammerschmidt. Die Anlage erlebte diverse Ausbauten und Erweiterungen, durch die sie zu einer der größten und spektakulärsten Unternehmer-Villen im Bonner Raum wurde.
Bereits bereits kurz nach der Fertigstellung ging das Anwesen aus dem Besitz von Troost 1868 in die Hand des Fabrikanten Leopold König über, der mit der Produktion von Zucker dank einer Monopolstellung in Russland ein Vermögen verdient hatte. König war ein weltläufiger Mann und kannte Nizza, Cannes und etliche deutsche Badeorte. Er kam wegen des milden Klimas und den guten Ausbildungsmöglichkeiten für seine Kinder gezielt nach Bonn. Er steuerte von hier aus seine Firmen und reiste des öfteren nach Russland.
1871 entstand ein besonders bemerkenswertes Gebäude: ein 39 Meter langes, überaus stattliches Palmen- und Gewächshaus. Eine 62 PS starke Dampfmaschine sorgte für die Bewässerungssystem und die Wasserversorgung in der Villa – zu Zeiten als es noch keine öffentliche Wasserversorgung gab. Der Dampf dürfte zur Beheizung des Treibhauses genutzt worden sein. Es war das erste und bei weitem größte Palmenhaus in der Bonner Region. Die Idee dazu hatte König wohl aus Russland mitgebracht. Es hatte auch einen Salon, der unter anderem zum Billiard-Spielen genutzt wurde und im Obergeschoss Wohn- und Schlafräume für Gäste. Solche Gewächshäuser boten den Vermögenden den Reiz einer völlig fremden Welt und die Möglichkeit des Genusses selbstgezogener exotischer Früchte. Die Bauweise mit Stahl und Glas war gleichzeitig hochmodern.
König erweiterte die Villa 1878 erheblich zu einem imposanten, schlossartigen Bauwerk mit Stilelementen der italienischen Renaissance. 1888 entstand der 50.000 Quadratmeter große Landschaftspark. König war ein ausgesprochener Garten- und Tierfreund und hielt auf seinem Anwesen Pferde, Ponys, Kühe, Hühner und Enten. Er wird als streng, klug, wohlwollend und als „harmonische Frohnatur“ geschildert. Sein Sohn Alexander König verlebte seine Jugendjahre in Bonn, wurde später Professor an der Bonner Universität und gründete 1912 das naturkundliche Museum Alexander König unweit der ehemaligen Villa König.
Die Villa König ging 1899 an den Unternehmer Rudolf Hammerschmidt, der mit der Verarbeitung von Baumwolle in Polen, Russland, England und St. Petersburg reich geworden war. Die Villa soll seinerzeit ein Mittelpunkt der Bonner Gesellschaft gewesen sein. Auch Hammerschmidt frönte in der Villa besonderen Interessen. Er zog Gemüse und Orchideen, sammelte Kunst und Porzellan und war auch auf dem Gebiet der Naturwissenschaften beschlagen, obwohl er nur in einer Bielefelder Leinenfabrik und einer Kölner Bank gelernt hatte. Hammerschmidt zog im Palmenhaus systematisch Hunderte von exotischen Pflanzen, sammelte Sämlinge und veröffentlichte sogar über seine Züchtungen.
1928 übernahm Hammerschmidts Schwiegersohn Ernst Poensgen, ein Stahlindustrieller aus Düsseldorf, den Besitz, der jedoch bald in einzelne Wohnungen aufgeteilt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das repräsentative, fast schlossartig wirkende Ensemble Amtssitz des Bundespräsidenten; diese Funktion hat es bis heute. Auch wenn der Bundespräsident nur selten in Bonn weilt, ist die Anlage stark gesichert: Nur von der Rheinpromenade aus oder durch den Zaun an der Adenauerallee kann man einen Blick auf die weiße Pracht werfen.
Auch das benachbarte Palais Schaumburg (Adenauerallee 139), das von 1949 bis 1976 Sitz des Bundeskanzleramtes war, geht auf eine Industriellenvilla zurück. Der Aachener Tuchfabrikant und Rentier Aloys Knops hatte sich hier um 1860 eine Stadtvilla bauen lassen. Auf dem über 30.000 Quadratmeter umfassenden Grundstück wurde von dem späteren Besitzer, dem Tuchfabrikanten und Kaufmann Wilhelm Loeschigk ein Landschaftspark angelegt. Das Anwesen wurde allerdings später erheblich zu einem schlossartigen Anwesen erweitert und ausgebaut. Das Palais Schaumburg und der Park sind allerdings nur von der Adenauerallee ausschnitthaft von außen einsehbar.
Text und Foto: Detlef Stender
Adresse: Adenauerallee, 53113 Bonn
Literatur:
Bundespräsidialamt: Geschichte der Villa Hammerschmidt,
www.bundespraesident.de/DE/Die-Amtssitze/Villa-Hammerschmidt/Geschichte/geschichte.html
Denk, Andreas, Flagge, Ingeborg: Architekturführer Bonn. Berlin 1997, S. 83/85
Sonntag, Olga: Villen am Bonner Rheinufer: 1819–1914. Bonn 1998. Bd. 1, S. 47f., 182–201,Bd. 2, S. 255–315