Villa Hüser

Die Villa Hüser repräsentiert einen bedeutenden Aspekt der Oberkasseler Industriegeschichte. Erbaut hatte sie 1857 der Fabrikant Hartwig Hüser (1834-1899), die heutige klassizistisch anmutende Form entstand durch einen Umbau vor dem Ersten Weltkrieg. Hüser war Gründer eines erfolgreichen Betonwerkes und damit neben der Oberkasseler Zementfabrik einer der größten Arbeitgeber in der Gemeinde. Als Mitbegründer des Deutschen Betonvereins war Hüser auch verbandspolitisch aktiv. Die Hüser Betonwerke wurden 1976 geschlossen; die einst umfangreichen Produktionsstätten sind nicht erhalten.

Im Jahr 1870 verließ der junge Bauunternehmer Hartwig Hüser seine westfälische Heimatstadt Hamm, um in der Gemeinde Oberkassel eine „Gesellschaft für Cement-Stein-Fabrikation“ aufzubauen – eine Idee mit Zukunft, da die fortschreitende Industrialisierung einen schnell wachsenden Bedarf an dem vielfältig einsetzbaren Werkstoff Beton mit sich brachte. So waren beispielsweise Zementbetonrohre für die vielerorts entstehenden städtischen Kanalisationssysteme besonders gefragt.

Der erste, noch recht bescheidene Produktionsbetrieb für Betonelemente aller Art entstand in der Simonstraße. Das Gebäude ist in seiner Grundsubstanz noch erhalten, durch Umnutzungen und Sanierungen aber nicht mehr als Gewerbebau zu erkennen. Direkt gegenüber lag das Wohnhaus des Fabrikanten, am rheinseitigen Ende der Straße eine Reihe von Arbeiterwohnungen. Da die Nachfrage stieg und die Firma florierte, verlegte der weitsichtige Unternehmer sein Betonwerk auf ein großzügiges Areal östlich des am Rhein liegenden Oberkasseler Zementwerks. Hinzu kam eine weitere Betriebsstätte in der Nähe des heutigen Kalkuhlgymnasiums.

Eine der figürlichen Darstellungen der „Vier Jahreszeiten“ als besonderer Schmuck des Hauses.

Damit wurden die Hüser Betonwerke zu einem der größten Arbeitgeber in Oberkassel und Umgebung. Der Transport der Produkte zu den Abnehmern erfolgte per Schiff oder per Bahn. Darüber hinaus besaß die Firma auch eine eigene Bauabteilung, die vor allem Betonbauten wie Brücken und Tunnel errichtete. Hüser war nicht nur in seiner neuen Heimat unternehmerisch aktiv, sondern darüber hinaus auch einer der Initiatoren des 1898 gegründeten Deutschen Betonvereins und anschließend dessen erster Vorsitzender. Nachdem Hartwig Hüser 1899 verstorben war, übernahmen seine Söhne Alfred Hüser (1870-1938) und Hugo Hüser (1883-1929) den Betrieb, der 1976 aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt wurde.

Die prosperierenden Betonwerke Hüser in der Nähe des Bahnhofs Oberkassel zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Quelle: Heimatverein Bonn-Oberkasse e.V.

Kurz vor dem Ersten Weltkrieg hatte Alfred Hüser das väterliche Haus in der Simonstraße zu einer repräsentativen Villa umgestalten lassen – die anspruchsvolle klassizistische Architektur und die weitläufige Parkanlage samt Teich und romantischer Grotte verwiesen eindrücklich auf die ökonomische Potenz des Unternehmens und die gesellschaftlichen Ambitionen des Bauherrn. Das rustikale Nebengebäude von 1912 beherbergte im Erdgeschoss ein Waschhaus und im oberen Stockwerk einen durch große Fensterflächen gut belichteten Turnsaal.

Das Nebengebäude bildet einen reizvollen architektonischen Kontrast zur nur wenige Jahre früher umgebauten Villa.

1939 ging das Anwesen in andere Hände über. In den folgenden Jahrzehnten erlebte es ganz unterschiedliche Nutzungen. Zurzeit (2021) steht die für die Oberkasseler Orts-wie für die Industriegeschichte bedeutende Villa zum Verkauf; sie ist nicht öffentlich zugänglich.

In der Bernhardstraße, der zum Rhein hin liegenden Querstraße, ließ Hugo Hüser 1913 seine eigene stattliche Villa im Landhausstil errichten, ebenfalls in einem großzügig angelegten Park gelegen (Bernhardstraße 25). Später diente sie zeitweilig als Kinderheim; heute residiert dort unter anderem eine Finanzberatungsgesellschaft. Haus und Park sind nicht öffentlich zugänglich.

Text und Fotos: Markus Krause

Adresse: Simonstraße 13, 53227 Bonn-Oberkassel

Literatur:

https://ga.de/bonn/beuel/hueser-werke-feiern-150-jaehriges-bestehen_aid-49849647

https://ga.de/bonn/beuel/wohnen-im-grossbuergerlichen-stil_aid-42564255

https://www.deutsche-biographie.de/sfz34240.htm

Hansmann, Aenne u.a.: Geschichte der Oberkasseler Straßen. Bonn 1980 (Schriftenreihe des Heimatvereins Oberkassel. Heft 3), S. 59f.; 119f.

Talbot, Franz-Josef; Loosen, Judith: Denkmalpfade im Stadtbezirk Beuel. Hg.: Heimat- und Geschichtsverein Beuel am Rhein. Bonn 2004, S. 90f.