Im späten 19. Jahrhundert entstand nicht nur am Rheinufer der Stadt Königswinter, sondern auch außerhalb des Ortes an der Westseite der „Provincialstraße“ nach Niederdollendorf (heute ein Ortsteil von Königswinter) eine Reihe von repräsentativen Villen, die – ausreichendes Einkommen oder Vermögen vorausgesetzt – häufig als Sommer-Domizil genutzt wurden. Zu ihnen zählt die um 1878 errichtete Villa Rheinau, ein gutes Beispiel für den Bautypus eines spätklassizistischen Landhauses.
Bauherren der stattlichen Villendirekt am Rhein oder zumindest in dessen Nähe waren zumeist wohlhabende Industriebarone, Bankiers oder Rentiers aus den rheinischen Großstädten und dem Ruhrrevier, welche die Schönheiten und die saubere Luft der von der Industrialisierung noch kaum berührten Siebengebirgslandschaft zu schätzen wussten. Mit der 1871 auf ganzer Länge fertiggestellten Eisenbahnlinie nach Köln stand zudem eine schnelle und bequeme Verbindung in die Ballungsgebiete an Rhein, Wupper und Ruhr zur Verfügung.
Die Zufahrt zu den Landhäusern erfolgte in der Regel über die Landstraße. Die großzügigen, parkähnlichen Grundstücke reichten an der Rückseite der Villen in der Regel bis an den Rhein heran – Grundstückspreise spielten seinerzeit für diese finanzstarke Klientel offensichtlich noch keine bedeutende Rolle.
Dies gilt auch für die heute unter Denkmalschutz stehende Villa Rheinau mit ihrem architektonisch reizvollen, vielfach gegliederten Baukörper und dem angedeuteten Turm im Zentrum. Ab 1898 gehörte das Anwesen dem Barmer Großkaufmann und Politiker Ernst von Eynern (1838-1906). Nachdem dieser 1862 in die väterliche Indigo-Großhandlung eingetreten war, wurde er 1865 zum Teilhaber berufen. 1897 gab er das Geschäft auf.
Eynern war aber nicht nur mit seiner eigenen Firma erfolgreich, sondern übernahm darüber hinaus zahlreiche Ämter in der rheinischen und westfälischen Industrie. So war er unter anderem Mitglied im Aufsichtsrat bedeutender Unternehmen wie der Deutschen Bank, der Farbenwerke vorm. Friedr. Bayer & Co. in Elberfeld und der Bergwerksgesellschaft Hibernia in Herne. Politisch engagierte sich der industriefreundlich-nationalliberal denkende Eynern nicht nur lokal im Niederdollendorfer Gemeinderat, sondern auch als Abgeordneter im Provinziallandtag der Rheinprovinz und als Mitglied im Preußischen Abgeordnetenhaus in Berlin.
Anfang der 1950er Jahre ging der Landsitz in den Besitz der Königswinterer Unternehmerfamilie Lemmerz über, die ihn vorübergehend als Wohnungen für das Führungspersonal ihrer nahegelegenen Felgen- und Räderwerke nutzte. Nachdem das Gebäude durch längeren Leerstand geschädigt worden war, kaufte 2001 ein Mitglied der Familie Eynern den ehemaligen Besitz zurück und ließ ihn denkmalgerecht sanieren. Park und Garten sind nicht öffentlich zugänglich. Von der Straße aus ist die zurückhaltende Eleganz der Villa mit ihrer vielgestaltigen Dachlandschaft aber durchaus nachzuvollziehen.
Text und Fotos: Markus Krause
Adresse: Hauptstraße 204 / 204a
Literatur:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_von_Eynern
Klöhs, Karl Josef: Kaiserwetter am Siebengebirge. Bonn 2003, S. 56f.