Das 1911 eingeweihte sogenannte „Volkswohlgebäude“ unweit der Talstation der Drachenfelsbahn symbolisiert die lebenslange Sympathie des Kölner Industriellen Ferdinand Mülhens (1844-1928) zu seiner Wahlheimat Königswinter und zum Siebengebirge. Der Name bezieht sich auf den Wunsch des Mäzens, das von ihm finanzierte, großzügig angelegte Haus mit der bereits 1908 errichteten einstöckigen Turnhalle möge dem „Wohle des Volkes“, in diesem Falle seiner geistigen wie seiner körperlichen Ertüchtigung dienen.
Die Geschichte der Kölner Industriellenfamilie Mülhens ist eng mit Königswinter und dem Siebengebirge verbunden. Zum bekanntesten Produkt des Kölner Unternehmens entwickelte sich im 19. Jahrhundert das „Eau de Cologne“, als „4711 Echt Kölnisch Wasser“ auch heute noch weltweit ein Begriff.
Seit 1873 war der 1844 in Köln geborene Ferdinand Mülhens in dritter Generation der alleinige Inhaber der florierenden Firma. Bereits 1843 war der am Fuß des Petersbergs gelegene Wintermühlenhof in den Besitz der Familie übergegangen und anschließend vor allem als Sommerdomizil genutzt worden. Seit 1900 nutzte Ferdinand Mülhens ihn bis zu seinem Tod 1928 als Alterssitz.
Mülhens jahrzehntelange Liebe zum Siebengebirge erwies sich als ein Glücksfall für Königswinter und Umgebung. Ohne sein unermüdliches ideelles wie finanzielles Engagement für die Region wäre die Kulturlandschaft heute um viele reizvolle Aspekte ärmer. So verbesserte er beispielsweise das Wegenetz im Siebengebirge und legte Alleen an, errichtete das Nobelhotel auf dem Petersberg und erwarb 1913 die Drachenfelsbahn. Zehn Jahre später gründete er das Unternehmen „Bergbahnen im Siebengebirge AG“, das auch die 1889 eröffnete und 1958 stillgelegte Zahnradbahn auf den benachbarten Petersberg betrieb und noch heute besteht.
Für Mülhens soziales Engagement steht das von ihm gestiftete „Volkswohlgebäude“ in der Innenstadt direkt neben dem städtischen Friedhof. Der Entwurf stammte von dem bekannten Honnefer Architekten Ottomar Stein. Offiziell wurde es anlässlich der Silbernen Hochzeit des Kaisers Wilhelm II. und der Kaiserin Auguste Viktoria zu Ehren des Kaiserpaares als „Wilhelm-Auguste-Viktoria-Haus“ bezeichnet. Für die Entstehungszeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg nicht ungewöhnlich, kombiniert der Bau herkömmliche historistische Stilelemente mit dezenten Jugendstil-Anklängen.
1910/11 erbaut, sollte es dem „Wohle des Volkes“, sprich der körperlichen wie der geistigen Bildung der Königswinterer Bevölkerung dienen. Lokale Vereine fanden hier Räume für Versammlungen und Veranstaltungen. Eine Bibliothek mit Lesezimmer, ein Zeichen- und ein Musiksaal dienten der Hebung des allgemeinen Bildungsniveaus. Für die körperliche Ertüchtigung stand in dem bereits 1908 errichteten rückwärtigen Anbau eine Turnhalle zur Verfügung.
Im Laufe der Jahrzehnte wurde das Gebäude ganz unterschiedlich genutzt, etwa im Ersten Weltkrieg als Lazarett und nach dem Zweiten Weltkrieg als Mädchengymnasium. Nach einer gründlichen Sanierung beherbergt es seit 2005 das „Kunstforum Palastweiher“ mit Ausstellungsflächen und Ateliers – sicherlich ganz im Sinne des Stifters, der auf dem benachbarten Friedhof seine letzte Ruhestätte gefunden hat.
Das Gebäude ist nur zu besonderen Anlässen öffentlich zugänglich.
Text und Fotos: Markus Krause
Adresse: Winzerstraße 7, 53639 Königswinter
Literatur:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm-Auguste-Viktoria-Haus
https://www.kunstforum-palastweiher.de/
https://ga.de/region/eine-villA-mit-turnhalle_aid-40033309
Scheuren, Elmar: „Zum Volkswohl für Königswinter“. Volksbildung und Mäzenatentum. In: Preußenadler über dem Rhein. Eine Spurensuche rund um den Drachenfels. Hg.: Siebengebirgsmuseum der Stadt Königswinter. Bonn 2015, S. 118-125