Wasserwerk Bonn

Das hohe Parlament in einem technischen Funktionsbau! Von 1986 bis 1992 bekam das ehemalige Bonner Wasserwerk eine völlig neue Bedeutung, denn es diente zeitweilig als provisorischer Plenarsaal für den deutschen Bundestag. Der Sitzungssaal von 1949 wurde damals abgerissen und an derselben Stelle der neue Bundestag erbaut. Die Bundestagsabgeordneten tagten nun vorübergehend im benachbarten Pumpenhaus des ehemaligen Wasserwerks, das 1900 erbaut worden war. Im ehemaligen Kessel- und Maschinenhaus von 1874 entstand das Besucherzentrum des Bundestags. Die Umnutzung bewahrte das sehenswerte Ensemble in den frühen 1980er Jahren vor einem Abriss – und machte für einige Jahre bundesweit deutlich, dass ein ausrangiertes Industriegebäude mit einer neuen Nutzung besonderen Charme und Reiz entwickeln kann.

Es war in dem Wasserwerk als provisorischer Bundestag offenbar recht eng. Aber die größere Nähe soll insgesamt zu einem besonders friedlichen Umgang der Abgeordneten miteinander geführt haben. 1991 fiel hier unter anderem der Beschluss zur Verlegung des Regierungssitzes von Bonn nach Berlin.

Das Kessel- und Maschinenhaus von 1874 mit dem oktogonalen Schornstein.

Aber von Anfang an: Die ersten Gebäude des Wasserwerks wurden 1873/74 erbaut. Aus einem 13 Meter tiefen Schachtbrunnen entnahm man Uferfiltratwasser. Zunächst bestand das Ensemble aus einem Kessel- und Maschinenhaus, einem Kamin, einer Enthärtungsanlage für das Wasser, sowie einem rückwärtigen Wohnhaus für den Maschinisten. Das neue Gebäude war mit Rundbogenfenstern, Zierfriesen und einer zweifarbigen Ziegelbänderung liebevoll gestaltet, trotzdem aber als technischer Funktionsbau klar erkennbar.

Die Fassade des Pumpenhauses zur Rheinpromenade.
Innenansicht des Pumpenhauses um 1900, vorne links die Dampfmaschinen, im Hintergrund vier Pumpen zur Förderung des Wasser, Foto: Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn.

Im Lauf der Zeit stieg der Wasserbedarf erheblich. Daher musste 1900 die Anlage erweitert werden. Es kamen ein zweiter Brunnen mit 16 Meter Tiefe sowie ein neues Pumpenhaus mit Kolbenpumpen und Dampfmaschinen hinzu, das wir heute vom Rheinufer aus sehen können. Während das ältere Kessel- und Maschinenhaus samt dem 27 Meter hohen Schornstein vollständig in Ziegelmauerwerk ausgeführt worden war, erhielt das neue Pumpenhaus nach Süden, Norden und natürlich zur Rheinpromenade hin verputzte Schaufassaden mit Natursteinelementen. Die historisierenden Stilelemente der Fassaden ließen nicht mehr auf die technischen Funktion des Gebäudes schließen – und erinnern eher an Elemente des Burgen- oder Kirchenbaus. Vielleicht hat die verschleiernde Ästhetik der Schaufassaden die spätere Umnutzung als provisorischer Bundestag zumindest erleichtert.

Luftansicht von Westen. Foto: Wolkenkratzer, CC BY-SA 3.0,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=20459959.

Das Wasserwerk arbeitete bis 1958 und wurde dann außer Betrieb genommen, weil Bonn seitdem mit qualitativ besserem Wasser aus der Wahnbachtalsperre versorgt werden konnte. 1965 ging es in die Hand des Bundes über, der die technischen Einrichtungen zum Teil entfernte. Die Gebäude wurden für Lagerzwecke genutzt, aber letztlich vernachlässigt. 1981 standen schon Mittel für den Abriss bereit, doch dann gewann die Idee Gestalt, die Anlage als Industriedenkmal und Sitzungssaal zu erhalten. 1985 begann der Umbau für die Zwischennutzung als Plenarsaal. Die Längswände des Kesselhauses aus den 1870er Jahren wurden bis auf die Giebelwand im Norden vollständig abgerissen und nach alten Plänen wieder aufgebaut. Maschinen- und Kesselhaus bekamen eine neue Funktion als Empfangs- und Besucherzentrum, das Pumpengebäude von 1900 als  Bundestag mit 730 Sitzplätzen und Lobby.

Nach der Zeit als Plenarsaal wurde das Gebäude für Kongresse genutzt. Für die Zukunft ist eine Integration in den UN-Campus geplant, dessen Gebäude das Wasserwerk umschließen.

Dazu gehören das ehemalige Bundeshaus, erbaut 1933 im Stil des Neuen Bauens, der ehemalige Bundestag – mit einer sehenswerten Architektur von Peter Behnisch (1992) – und das Abgeordnetenhaus „Langer Eugen“ (1966–69, Architekt: Egon Eiermann).

Etwas weiter südlich, zwischen dem altem Wasserwerk und der Südbrücke, erreichte früher die Trajekt-Bahnstrecke (1870 –1914) von Oberkassel das linksrheinische Ufer. Hier bestand sogar ein kleiner Güterbahnhof, von dem aus die Ortsteile Kessenich und Dottendorf bedient wurden. In diesem Bereich waren auch einige industriell-gewerbliche Bauten angesiedelt, die aber inzwischen den Parkanlagen der Rheinaue gewichen sind, die 1979 im Rahmen einer Bundesgartenschau geschaffen wurden.

Text und Fotos: Detlef Stender

Adresse: Hermann-Ehlers-Straße 29

Literatur:

„Bahnstrecke Bonn Hauptbahnhof nach Oberkassel mit Schiffstrajekt”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-30069-20120114-2 

Bundesbaudirektion Bonn (Hg.): Umbau Wasserwerk Bonn – zur vorübergehenden Unterbringung des Plenums des deutschen Bundestages. Bonn 1986

Altes Wasserwerk Bonn. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-21103-20111109-4

Weg der Demokratie – Plenarsaal
https://www.wegderdemokratie.de/plenarsaal-wasserwerk