Zementwerk Oberkassel

Zement als Bindemittel bei der Herstellung von Beton ist aus dem Baubetrieb nicht mehr wegzudenken. Der heute verwendete Zement basiert auf einem Verfahren, das in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in England entwickelt wurde: Im Prinzip werden Kalkstein und Tonmiteinander vermalen, zu Ziegeln geformt, gebrannt und schließlich erneut gemahlen. Der entscheidende Schritt zur Entwicklung des Portland-Zements – der heute gebräuchlichsten Zementart, die sich durch ihre hohe Festigkeit auszeichnet – wurde schließlich durch die Sinterung der verschiedenen Ausgangsstoffe erreicht.

Als Pionier der Zementherstellung in Deutschland gilt Hermann Bleibtreu (1820-1881). Er hatte nach dem Tod seines Vaters (1839) mit seinem Bruder die Alaunhütten und die Braunkohlegruben auf dem Ennert übernommen. Um die Jahrhundertmitte widmete er sich der Herstellung von Zement. 1852 begann er in Bonn mit den entsprechenden Versuchen, die er im selben Jahr in Stettin fortsetzte. Neben den erforderlichen Rohstoffen – Kreide von der Insel Rügen und Ton von der Odermündung – bot sich hier die Möglichkeit, einen Versuchsofen zu bauen und betreiben. Schließlich konnte er in dem von ihm konstruierten Schachtofen durch die abwechselnde Schichtung Kalk-Ton-Klinker und Lagen von Koks die erforderliche Hitze erzeugen, die für einen Sinterungsprozess der Zementklinker notwendig war. Die gebrannten Klinker wurden schließlich in einer Mühle zu Zement vermahlen.

Luftbild der Anlage 1953 von Südwesten. Unten parallel zum Rhein die Rohmühle und die Direktorenvilla. Quelle: © Bundesarchiv, Bild 195-0386 / CC-BY-SA 3.

Bleibtreu konzentrierte in Stettin den gesamten Produktionsprozess in einem neuen Werk, das er im Herbst 1855 fertigstellen konnte. Im darauffolgenden Jahr kehrte er an den Rhein zurück und errichtete in Oberkassel bis 1858 ein weiteres Zementwerk. Im Gegensatz zu Stettin, wo der Kalk in Form von Kreide bereits sehr feinkörnig zur Verfügung stand, musste in Oberkassel der Kalkstein, den er aus der Gegend um Mainz bezog, vor der Weiterverarbeitung zunächst zerkleinert werden. Für das aufwendige Verfahren wurde parallel zum Rhein die Rohmühle errichtet, ein viereinhalbgeschossiger, burgenähnlicher Backsteinbau mit einer weitgehend freistehenden hölzernen Innenkonstruktion, die die Vibrationen der Mahlwerke auffangen konnte, ohne sie auf das Mauerwerk zu übertragen. Rechtwinklig dazu wurden die sechs Schachtöfen errichtet, in denen die Zementklinker gebrannt wurden. Nach Süden anschließend entstanden die sogenannte Direktorenvilla und im rechten Winkel dazu Laboratorien, Remisen und Stallungen sowie eine Böttcherei, in der Fässer für den Transport des Zements hergestellt wurden.

Historismus trifft gläserne Moderne: die Direktorenvilla des Zementwerks von Nordwesten her gesehen.

In verschiedenen Stufen wurde das Werk ausgebaut und technologisch an die neusten Entwicklungen angepasst. So wurden 1868/69 und dann nochmals 1881/82 insgesamt sieben neue Schachtöfen errichtet und die Anlagen zur Aufbereitung und Verarbeitung vergrößert. Grundlegend verändert und rationalisiert wurde die Zementproduktion durch die Einführung von Drehöfen. Diese konnten aufgrund ihrer geneigten zylinderförmigen Konstruktion in einem Arbeitsgang das angefeuchtete Zementgemisch trocken, bei 1500 Grad Celsius sintern und direkt zur Weiterverarbeitung bereitstellen. In Oberkassel wurden 1908/09 die ersten Drehöfen aufgestellt. Sie bildeten den Grundstock für eine eigene Produktionsanlage auf dem Werksgelände, die aus Aufbereitung, Brennen und Mahlen des Zements bestand. Die alten Schachtöfen wurden 1914/15 stillgelegt.

Gebäudegruppe mit Direktorenvilla, Labor und Wasserturm sowie Verwaltungsgebäude im Jahre 1987. Foto: Archiv des Heimatvereins Oberkassel e.V..

Nach dem Ersten Weltkrieg und der Inflation erlebte das Oberkasseler Zementwerk in den 1930er Jahren unter anderem durch den Beginn des Autobahnbaus, den Ausbau des Westwalls und den Bunkerbau einen erheblichen Aufschwung, der auch nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst anhielt.

Der Betrieb wurde Ende 1987 eingestellt und ab 1988 der Abbruch der Produktionsanlagen in Angriff genommen. Im Rahmen einer Neustrukturierung des gesamten Uferbereichs begann ab 2000 die Neubebauung des Geländes. Erhalten blieben lediglich die Rohmühle, die ehemalige Direktorenvilla mit ihrer Fassade aus der Zeit um 1900 und der aus dem Jahr 1897/98 stammende Wasserturm.

In der Rohmühle wurden ein Restaurant sowie Büroräume eingerichtet. Die ehemalige Direktorenvilla beherbergt heute ebenfalls Büroräume. Neugestaltet wurde die gesamte Uferzone. Die ehemals industriell geprägten Kai- und Verladeeinrichtungen sind leider spurlos verschwunden.

Gelände der ehemaligen Zementfabrik um 2020. Foto: Bürgerverein Ramersdorf 1909 e.V.

Text: Franz Josef Talbot, Fotos: Markus Krause

Adresse: Oberkasseler Ufer – Joseph-Schumpeter-Allee

Literatur:

http://www.rheinische-industriekultur.de/objekte/Bonn/zementwerk/zementfabrik; mit umfassenden Literaturangaben