Villa Deichmannsaue

1836 ersteigerte der Kölner Bankier Wilhelm Ludwig Deichmann das bereits bestehende Landgut „Auerhof“ in Mehlem, aus dem später das sogenannte „Schloss“ Deichmannsaue werden sollte. Die Familie des einflussreichen Bankiers beließ zunächst weitgehend den Baubestand und konzentrierte sich auf die Ausstattung eines spektakulären Landschaftsgartens. Wilhelm und seine Frau Elisabeth hatten dort viele Künstler, Wissenschaftler und illustre Gäste zu Besuch, die die besondere Lage des Auerhofes mit Blick auf den Drachenfels genossen. Das Ensemble blieb durch drei Generationen im Besitz der Familie Deichmann, deren Bankhaus über Jahrzehnte hinweg eine Schlüsselrolle in der Finanzierung der westdeutschen Industrie besaß. Die heutige Form erhielt das Anwesen 1910-1912 unter der Federführung des Bankiers Wilhelm Theodor von Deichmann. Heute wird der historische Gebäudebestand von Bundesämtern genutzt und ist von der Rheinpromenade gut zugänglich.

Das Landgut, das Deichmann 1836 erstand, wurde als „herrschaftliches Haus“ mit zwei Fronten zum Siebengebirge und Rhein geschildert. Es besaß zwei Stockwerke, ein hohes Mansarddach und immerhin zwölf Zimmer. Zum eigentlichen Auerhof gehörten damals schon ein englischer Landschaftsgarten und ein Gemüsegarten, Wein- und Baumgärten, Wiesen und Viehbestand. Ab 1855 wurde dieses Gebäude erweitert und später noch eine vorgesetzte Fachwerkfassade im Schweizer Stil hinzugefügt, wohl um den ländlichen Charakter zu betonen.

Nicolaus Christian Hohe: Ansicht der Villa (vor dem Umbau) mit Elementen des Landschaftsgartens, um 1860, aus: Wiesemann 2006, S. 10.

Eine besondere Attraktion des Anwesens war der englische Landschaftsgarten: 1874 beschrieb ihn Langewiesche in einem Führer: „Wege und Sitze mit voller herrlichster Rhein- und Gebirgssicht, erhöhte Sitze mit schönem Durchblick, halb- und ganzschattige Pfade, vollständig dunkle Laubengänge, …. verschiedenartige Tempelchen und sonstige Ziergartenhäuser, Statuen, Weiher mit schwimmenden Wasservögeln, Rastplätze mit weidenden Kühen, Schafen, Hirschen, Rehen …“ Es gab sogar einen Irrgarten.

Pavillon im Landschaftsgarten der Villa Deichmannsaue mit Aussicht auf Rhein und Siebengebirge, Nicolaus Christian Hohe, 1865, aus: Wiesemann 2006, S. 11.

Eine besondere Attraktion war eine Pergola aus 81 romanischen Säulen, die Deichmann aus den ehemaligen Abteien Heisterbach und Knechtsteden beschafft hatte. Auch eine Marmor-Badewanne aus dem Besitz des Kurfürsten Clemens August und ein Renaissanceportal von 1620 sollen im Park zur Dekoration platziert worden sein. Das war sicherlich eine romantisch-spielerische Attitüde. Doch dass der Bankiers-Familie die Aneignung solcher Objekte aus anderen gesellschaftlichen Sphären überhaupt möglich war, demonstrierte die Macht und das Vermögen des neuen Geldadels.

Deichmannsaue – Rheinfront heute. Hier muss der vielfältige Landschaftsgarten früher gelegen haben.

Wilhelm Ludwig Deichmann (1798–1876) war eine Schlüsselfigur des Kölner Bankwesens und der Industriefinanzierung, zugleich auch des Bankiers- und Unternehmerzirkels rund um Godesberg. Er hatte als Angestellter Karriere in der Bank des Abraham Schaaffhausen in Köln gemacht, und heirate nur zwei Monate, nachdem er 1830 dort Direktor geworden war, dessen Tochter Elisabeth Schaaffhausen. Schaaffhausen war der erste Bankier, der in Godesberg ein Anwesen gekauft hatte (siehe Villa Carstanjen / Landgut Schaaffhausen). Ab 1830 leitete Deichmann den Schaaffhausen‘schen Bankverein, der 1848 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde – die erste Aktienbank in Deutschland. Seitdem wurde das Institut, das unter anderem stark im Eisenbahnbau engagiert war, erneut von Deichmann, seinem Schwiegersohn Victor Wendelstadt und Gustav Mevissen geleitet. Beide Kompagnons besaßen später ebenfalls in Godesberg Sommersitze (siehe Villen an der Kurfürstenallee/„Am Kurpark“).

Später gründete Deichmann gemeinsam mit Adolph vom Rath, einem Sohn seines Schwagers, ein eigenes Bankhaus in Köln. Auch vom Rath besaß eine Sommerresidenz an der Kurfürstenallee. Das Bankhaus Deichmann & Co. war stark an der Finanzierung von Bergwerken und Stahlhütten im Ruhrgebiet beteiligt und um 1870 einer der Finanziers der Firma Krupp.

Ansicht aus Süd-Ost.

Zunächst kam Deichmann nur an Wochenenden von Köln nach Mehlem auf sein Landgut. Die Fahrt dauerte mit der Kutsche immerhin einen halben Tag. Nachdem die linksrheinische Bahnlinie 1856 von Bonn bis Rolandseck verlängert worden war, konnte er von Mehlem aus täglich in einer Stunde in sein Bankhaus fahren. Der dortige Bahnhof war außerhalb eines Ortes in nächster Nähe zu seinem Landhaus gebaut worden, worauf er vermutlich Einfluss genommen hatte.

Von dem Selbstbewusstsein des aufstrebenden Besitzbürgertums kündet eine kleine Anekdote: Damen des rheinischen Adels und des Bürgertums waren um 1830 in Köln zu einem Empfang für Prinz Wilhelm von Preußen und Prinzessin Augusta eingeladen. Nach der Vorstellung der adligen Damen hieß es: „Und hier Majestät, hört der Adelsstand auf“. Worauf Elisabeth Deichmann trocken mit einem Hofknicks entgegnete: „Und hier Majestät, fängt der Wohlstand an.“ Deichmanns Gattin Elisabeth, genannt „Lilla“, wird als außergewöhnlich kluge und interessierte Frau geschildert, die sogar Vorlesungen an der Universität hörte – was für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich und fast ungebührlich war.

Innenhof.

Die Villa Deichmannsaue mit Blick über den Rhein auf das Siebengebirge wurde unter Lillas Obhut ein sehr gastliches Haus, in dem Musiker, Dichter, Maler, Professoren und auch Adlige gern gesehene Gäste waren. „Alles was Rang und Namen hatte, kam von Bonn … und von Köln, trotz schlechter Verbindung per Wagen oder Boot. Mehlem war eine Berühmtheit geworden.“ Manche Gäste, so etwa auch der junge Johannes Brahms, blieben über Wochen und Monate. Das große Anwesen wurde von Generation zu Generation in der Familie Deichmann weitervererbt, die Gastlichkeit aber soll Bestand gehaben haben. „Nie war man ohne Gäste“ erinnert sich eine Nachfahrin.

Ansicht von Süden.

Unter Wilhelm Theodor von Deichmann (1864–1929) erlebte das Landgut in dritter Generation 1910 bis 1912 einen umfangreichen Umbau. Wilhelm Theodor war eine der reichsten Persönlichkeiten des Rheinlandes, Seniorchef des Bankhauses in Köln und Mitglied in elf Aufsichts- oder Verwaltungsräten von großen Industrieunternehmen und Versicherungsanstalten. 1908 war er sogar geadelt worden. Der schlossartige Umbau beruhte wohl auf Ideen von Deichmann selbst und wurde von dem Mehlemer Architekten Wald im Detail ausgeführt. Der Bau ist einerseits mit seinen kaum verzierten Fassaden und in seiner architektonischen Klarheit schon relativ modern, kombiniert aber zugleich Elemente des Neobarocks und des Jugendstils. Noch in der malerisch-pittoresken Tradition steht die Verwendung sehr unterschiedlicher Architekturelemente, der variantenreiche Grundriss und die Abwendung von der Symmetrie. So bietet jede der Fassaden ein individuelles Bild.

Die Neubauten für die amerikanische Besatzungsbehörden, später Botschaftsitz der USA, um 1955.
Links am Bildrand etwas versteckt die Villa Deichmannsaue. Oben rechts die Ringsdorff-Werke und Fabrikgebäude der Rheinischen Chamotte- und Dinas-Werke. Postkarte aus Privatbesitz.

1949 zog das Hochkommissariat der USA in das repräsentative Gebäude   ein und von 1952 bis 1955 Teile der Alliierten Hohen Kommission, einer gemeinsamen Einrichtung der westlichen Siegermächte. Im Rahmen dieser Nutzung wurde nördlich ein großer, für die damalige Zeit sehr modern gestalteter Bürokomplex geschaffen, der Platz für 1.500 Arbeitsplätze bot, aber geschickt in die Parklandschaft integriert werden konnte. Er wurde später von der amerikanischen Botschaft (bis 2000) übernommen. Heute wird das gesamte Ensemble von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung und dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung als Bürogebäude genutzt.

Text und Fotos: Detlef Stender

Adresse: Deichmannsaue

Literatur:

Feldenkirchen, Wilfried: Kölner Banken und die Entwicklung des Ruhrgebiets, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, 27/1982, S. 81-106

Guilleaume, Ella von: „Wie herrlich duftet es hier nach Eau de Cologne!“ – eine wohlbehütete Kindheit und Jugend zwischen Köln und Godesberg, in: Bonner Geschichtswerkstatt: Bad Godesberg- ein historisches Lesebuch, Bonn 2008,  S. 16-19

Schloss Deichmannsaue in Rüngsdorf. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-316865 

Soénius, Ulrich S./Wilhelm, Jürgen (Hg.): Kölner Personenlexikon, Köln 2008

Sonntag, Olga: Villen am Bonner Rheinufer: 1819–1914. Bonn 1998, Bd. 1., S. 52 / 294; Bd. 3, S. 176 ff.

Vogt, Helmut: Wilhelm Ludwig Deichmann, in: Internetportal Rheinische Geschichte: http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wilhelm-ludwig-deichmann-/DE-2086/lido/57c690ea821266.21153236

Wiesemann, Gabriele/ Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung: Die Deichmannsaue. Bonn 2006
https://d-nb.info/985206322/34/

Wikipedia – Artikel Wilhelm Ludwig Deichmann
https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Ludwig_Deichmann