Villen in Rolandseck

Der historische Bahnhof ist nicht das einzige ungewöhnliche Bauwerk in Rolandseck. In seiner unmittelbaren Nähe liegen einige spektakuläre Unternehmer- und Bankiersvillen – natürlich mit Rheinblick. Wir treffen hier auf Bauherren, deren Familien wir schon aus Godesberg und Mehlem kennen: vom Rath und Deichmann.

Bereits am nördlichen Ortseingang fällt ein weißer Prachtbau direkt an der Bundesstraße ins Auge, die sogenannte Villa Rolandseck. Was auf den ersten Blick historisch anmutet, ist allerdings ein jüngerer Erweiterungsbau einer älteren Villa, die hier bereits um 1841 entstand.

Porträt des erfolgreichen und selbstbewussten Unternehmers und Villenbesitzers Johann Jacob vom Rath. Auf dem Porträt ist ein Ausschnitt aus dem unten abgebildeten Bild der Villa zu sehen, die vom Rath in Rolandseck erbauen ließ.

Bauherr war Johann Jacob vom Rath (1892-1868), der aus einer Duisburger Familie stammte, die mit Handel und Rheinschifffahrt, der Seifenproduktion und der Tabak- und Zichorienverarbeitung zu Geld gekommen war. Vom Rath hatte 1822 in Duisburg und nach seiner Übersiedlung nach Köln 1834 auch dort eine Zuckerraffinerie gegründet. Später kamen Zuckerfabriken in Galizien und Schlesien hinzu. Vom Rath war an verschiedenen Bank- und Versicherungsgründungen im Rheinland beteiligt und Mitglied des Verwaltungsrates des einflussreichen A. Schaaffhausenschen Bankvereins in Köln sowie des Administrationsrates der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft. Bei vielen diesen Aktivitäten arbeitete er eng zusammen mit Gustav Mevissen und Wilhelm Deichmann, den Schlüsselfiguren des Kölner Wirtschaftslebens. Beide besaßen ebenfalls Sommervillen in Godesberg beziehungsweise Mehlem (siehe Villen „Am Kurpark“ / Villa Deichmannsaue).

Villa vom Rath, Lithografie um 1850, unbekannter Künstler. Links die erste Villa vom Rath, erbaut 1841. Gut sichtbar sind unterhalb des Rolandsbogens das neu erbaute Tempelchen und oberhalb der Aussichtsturm, zwei Gebäude, die vom Rath am berühmten Hang erbauen ließ. Das Tempelchen wurde in den kommenden Jahrzehnten selbstverständlicher Bestandteil vieler Darstellungen dieser Rheinansicht. Aus: Roessler, S. 192.

Im Jahr seiner Übersiedlung nach Köln hatte vom Rath bereits die Flächen rund um den Rolandsbogen und Teile des oberhalb gelegenen Rodderbergs gekauft. Er gehörte auch dem Komitee an, das sich um den Wiederaufbau des Rolandsbogens bemühte. Zu seiner neuen Villa, die 1841 entstand, gehörte ein großer Park mit Spazierwegen, der sich bis hinauf zum Rolandsbogen zog.

1845 ließ er etwas unterhalb des Rolandsbogens einen kleinen, exponiert gelegenen, siebeneckigen Aussichtspavillion im erbauen, der bald als „Tempelchen“ . bezeichnet wurde. 1848 folgte ein mächtiger Turm oberhalb des Rolandsbogens, von dem aus man einen grandiosen Ausblick auf das Rheintal bis nach Köln hatte. Gleichzeitig entstanden kleine Viadukte, die einen Zugang zu dem Turm ermöglichten, ohne dass man öffentliche Wege benutzen musste.

Blick von dem Turm, den vom Rath oberhalb des Rolandsbogens erbauen ließ, auf das Panorama zwischen Köln und Remagen. L.A. Ramm, Zeichnung nach 1860.Aus: Roessler, S. 192.
Der Rathsturm heute. Foto: Wolkenkratzer, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons.

1856 wurde das Privatgelände allerdings brachial zerschnitten – von der neuen Eisenbahnlinie von Bonn zum Bahnhof Rolandseck. Vom Rath war selbst Teilhaber und führend in der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft tätig. Der Widerspruch zwischen Rheinromantik und ungestörter Parklandschaft einerseits und dem technischen Fortschritt mit all seinen Segnungen und Zumutungen anderseits dürfte für ihn nicht einfach aufzulösen gewesen sein. Immerhin erhielt er als Trostpflaster mit der Bahnlinie einen fußläufig erreichbaren Bahnhof fast direkt vor der Haustür.

Villa vom Rath im Zustand des Jahres 2023, der äußerlich weitgehend dem Umbau von 1888 entsprechen dürfte.

1888 wurde die Villa erweitert und im spätklassizistischen Stil aufwändig umgebaut, womit sich das Erscheinungsbild grundlegend veränderte. Von 1991 bis 2007 waren hier eine Galerie und ein „Europäisches Kulturzentrum“ untergebracht, was dem Gebäude als „Villa Rolandseck“ eine gewisse Bekanntheit einbrachte. 2016 /17 erfolgte eine denkmalgerechte Sanierung.

Das Tempelchen wurde 1931 abgerissen, um die Sicherheit der darunter verlaufenden Eisenbahnstrecke zu gewährleisten. Der Rathstum steht bis heute – allerdings mit inzwischen eingeschränkter Aussicht.

Haus Humboldtstein, erbaut 1860 von Adolph Deichmann als Villa Rolandshöhe.

Etwas rheinaufwärts von der Villa Rolandseck ist von der Bundesstraße aus am Berghang die „Haus Humboldtstein“ zu sehen, das von den 1970er bis Anfang des 2020 Jahre ein Tagungs- und Fortbildungzentrum der Arbeiterwohlfahrt war- und dann in Privatbesitz kam. Das Gebäude wurde um 1860 als Villa Rolandshöhe von dem Bankier Adolph Deichmann (1811–1882) erbaut, einem jüngeren Bruder von Wilhelm Deichmann, der bereits seit 1836 in Mehlem ansässig war. Der Bauherr hatte Julie Deichmann (1828-1904), eine Tochter seines Nachbarn Johann Jacob vom Rath geheiratet – und mit der Familie vom Rath ein Bankunternehmen in Amsterdam gegründet. Der Entwurf der Villa wird dem Kölner Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner zugeschrieben. Wie in der Villa Deichmannsaue verweilten auch hier gern Gäste, so etwa Clara Schumann, die mit der Hausherrin befreundet war und die Deichmanns in Rolandseck als liebevolle Gastgeber beschrieb.

Villa Sölling / Auf dem Rott – mit Gärten und Park zum Rhein hin. Im Tal ist der neu erbaute Bahnhof angedeutet, um 1860. Lithografie von Charles Mercereau. Aus: Roessler, S. 212.
Villa Sölling, oberhalb des Bahnhofs Rolandseck – Blick über den Rhein.

Eine weitere imposante Villa wurde etwas oberhalb des Bahnhofs am Berghang von dem Essener Kaufmann Friedrich Heinrich Sölling im Jahr 1850 erbaut, einem Geschäftspartner von Alfred Krupp. Der Blick von diesem Anwesen ins Rheintal und auf den Rolandsbogen war spektakulär und zierte manch zeitgenössische Postkarte.

Auch südlich von Rolandseck errichteten Unternehmer weitere, zum Teil schlossartige Villen. Bereits um 1860 hatte etwa der Uerdinger Zuckerfabrikant Eduard Frings zwischen Oberwinter und Remagen oberhalb des Rheins das Schloss Marienfels mit 800 Quadratmetern Fläche und 18 Zimmern erbauen lassen. Zwei Mitglieder der Unternehmerfamilie Guilleaume aus der Dynastie des Kölner Drahtseil- und Kabel-Hersteller Felten & Guilleaume schufen sich hier ebenfalls Sommersitze: Max von Guilleaume baute Anfang des 20. Jahrhunderts in einem Tal zwischen Remagen und Oberwinter das Gut Calmuth zu einem stattlichen Herrenhaus um. Und Arnold von Guilleaume ließ 1908 südlich von Oberwinter das neobarocke Schloss Ernich errichten.

Text und Fotos: Detlef Stender

Adressen: Villa Rolandseck / vom Rath: Mainzer Str. 14; Haus Humboldtstein / Villa Adolph Deichmann: Am Humboldtstein / gut zu sehen von der Mainzer Straße / B9; Villa Sölling: Am Kasselbach 5, (alle Remagen-Rolandseck)

Literatur:

Arens, Detlev: „Saure Wochen, frohe Feste“ – Die rheinischen Zuckerbarone und ihre Erben. In: Rheinische Heimatpflege 53, 1/2016, S. 43-52

Bodsch, Ingrid: Die Villa Deichmann in Rolandseck – wiederentdeckt!, in: Bernhard R. Appel, Ute Bär, Matthais Wendt (Hg.): Schumanniana nova : Festschrift Gerd Nauhaus zum Geburtstag Sinzig 2002, S. 114-126

Eynern, Gert von:  Die Unternehmungen der Familie vom Rath. Bonn 1930; online

Haus Humboldtstein (Rolandseck) – AW-Wiki online

Roessler, Kurt: Rolandsbogen. Geschichte und Gedichte der Burg Rolandseck seit 1122. Bonn 2010, S. 191f.

Soénius, Ulrich S., Wilhelm, Jürgen (Hg.): Kölner Personenlexikon. Köln 2008, S. 436f.

Röcke, Matthias: Villen am Rhein. In: Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 1982, S. 46-50

Uhl, Harald: Der Rathsche Turm auf dem Rodderberg, in: Godesberger Heimatblätter 43, 2005, S. 77-91

Villa Rolandseck: www.aw-wiki.de/index.php/Villa_Rolandseck